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Innenminister Christophe Castaner steht in der Kritik.

Foto: Reuters / Benoit Tessier

Eine Messerattacke wie jene in der Pariser Polizeipräfektur, die am vergangenen Donnerstag vier Todesopfer forderte, soll nicht mehr möglich sein: Innenminister Christophe Castaner kündigte am Montag an, er wolle ein polizeiinternes Verfahren einführen, damit der Verdacht auf eine mögliche Radikalisierung von Mitarbeitern "automatisch gemeldet" werde.

Der Attentäter, ein 45-jähriger Besucher salafistischer Moscheen, hatte nach dem "Charlie Hebdo"-Attentat 2015 zu Kollegen gesagt, das sei " zu Recht geschehen". Weitergemeldet wurde diese Meinungsäußerung nicht, auch nicht der Umstand, dass der von den Antillen stammende Informatiker privat in der Banlieue islamische Kleidung trug und Frauen nicht die Hand gab.

Nicht gemeldet, wegen Angst

Olivier Boisteaux, Chef der Polizeigewerkschaft SICP, erklärte, viele Ermittler wollten Kollegen "nicht wegen ihrer religiösen Zugehörigkeit stigmatisieren". Automatische, obligatorische Meldungen seien nicht das richtige Instrument; besser wäre die Schaffung einer spezialisierten Anlaufstelle in der Polizei und im öffentlichen Dienst allgemein.

Die Debatte hat auch einen sehr politischen Hintergrund. Auf die Journalistenfrage, warum die Polizisten die Radikalisierung ihres Arbeitskollegen nicht gemeldet hatten, antwortete die parteilose Abgeordnete Emmanuelle Ménard am Montag: "Weil sie Bammel hatten." Wenn man heute das Thema Islam oder Islamismus anschneide, werde man sofort als islamophob oder Rassist hingestellt. "Man kann nicht mehr sagen, wie die Dinge wirklich liegen", meinte die dem rechten Rassemblement National Nahestehende.

Warnung vor Denunziantentum

Linkspolitiker warnen dagegen vor der Versuchung des "Denunzierens". Castaner hatte am Wochenende selbst erklärt, es sei ja nicht verboten, sich auf eine bestimmte Art zu kleiden oder den Kontakt mit dem anderen Geschlecht zu vermeiden. Der ehemalige Antiterrorrichter Marc Trévidic meinte, seine jahrelange Erfahrung habe ihn gelehrt, dass es "keine gute Lösung" für letztlich individuelle Fälle gebe. "Während Kandidaten für öffentliche Dienste oft schon bei der Eintrittsprüfung entlarvt werden, ist es viel schwieriger, mögliche Attentäter zu erkennen, wenn sie sich erst während ihrer Dienstzeit radikalisieren."

"Sehr beunruhigt" zeigte er sich, dass der erschossene Angreifer im Hochsicherheitsbereich gearbeitet habe: In der geheimdienstlichen Abteilung, die dem Secret Défense unterstehe, "habe er sicher Zugang zu geheimen und übergeordneten Informationen gehabt: Privatadressen von Antiterrorbeamten, ihre Telefonnummern". Castaner widersprach. "Derzeit lässt nichts darauf schließen, dass der Täter Teil eines "organisierten Systems war", beschwichtigte er.

Auf einem USB-Stick der im Haus des Täters gefunden worden sein soll, sollen sich persönliche Daten von Kollegen und Propagandavideos des IS befinden, berichtete die französische Zeitung Le Parisien am Montag. Es sei nicht bekannt ob der Täter die Informationen an Dritte weitergegeben hat. Die Polizei hat die Berichte über den USB-Stick vorerst nicht bestätigt. (red, Stefan Brändle aus Paris, 8.10.2019)