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Mit Rücksicht aufs Betriebsklima: Thomas Müller hält trotz Reservistenrolle still.

Foto: Reuters/gebert

München – Thomas Müller setzte sein schönstes Wiesn-Lächeln auf und erweckte mit dem Maßkrug in der Hand den Eindruck, als sei alles in bester Ordnung. Die Unbeschwertheit beim Oktoberfestausflug des FC Bayern lenkte die Aufmerksamkeit weg von den Alltagssorgen um seine abnehmende Bedeutung im Starensemble der Münchner. Denn wie es wirklich um die Laune des Rio-Weltmeisters bestellt ist, das bleibt im Ungefähren.

Ob die "Not-am-Mann"-Aussage von Trainer Niko Kovac in Art und Formulierung nun beabsichtigt war oder nicht, sie hinterlässt Spuren. Müller dürfte der Trainersatz im Sky-Interview vor dem 1:2 gegen Hoffenheim nicht geschmeckt haben, denn er ist als offizielle Degradierung zum Ersatzspieler zu verstehen. "Sie müssen da nichts draus zaubern", entgegnete Kovac nach dem Spiel mit ernster Miene auf Nachfrage. Spieler, die nicht beginnen, kämen eben dann, wenn sie gebraucht würden – und bei Müller käme der Satz "ganz normal" an.

Kein van Gaal'sches Prinzip mehr

Doch ist das wirklich so? Der Ur-Bayer hatte nur ein knappes "Nothing to say, wie der Engländer sagt" hinterlassen, als er am Samstag ungewohnt schnell aus dem Stadion verschwand. Dabei wäre es interessant, Müllers wahrscheinlich kontroverse Sicht der Dinge zu hören. Aber eben diese könnte dem offensichtlichen Betriebsklima bei den Bayern schaden, wie es vor etwa einem Jahr ein Instagram-Post seiner Frau Lisa schaffte. Müller hält sich also (noch) zurück.

Dass der einst vermutlich weltbeste Raumdeuter keinen Stammplatz mehr besitzt, ist an sich keine Neuigkeit. Das van Gaal'sche Prinzip, wonach Müller immer spiele, ist längst außer Kraft gesetzt. Neu ist die Tatsache, dass Müller gegen Hoffenheim zum fünften Mal in Folge zunächst auf der Bank saß – und seine Jokerrolle zur Normalität wird.

Keine Rotation

An Philippe Coutinho gibt es augenscheinlich kein Vorbeikommen, beide Spieler gemeinsam in der Startelf sind nicht vorgesehen, und auf Rotation setzt Kovac aus Erfahrung auch nicht mehr. Im Herbst 2018 hatte er damit beinahe seinen Job verspielt. Eine vertrackte Situation für Müller, der als eine der letzten echten Identifikationsfiguren bei den Bayern gilt.

In bisher 450 Pflichtspielminuten dieser Saison kommt er auf ein Tor und vier Vorlagen. Argumente für sich hat der 30-Jährige also durchaus gesammelt. Sportdirektor Hasan Salihamidzic äußerte auch Verständnis für eine gewisse Unzufriedenheit. Kovac lobte Müllers Eifer und den Schwung, den er nach der Einwechslung auch mit der Vorlage zum zwischenzeitlichen 1:1 gebracht habe.

"Er ist nicht irgendjemand. Thomas ist sehr wichtig, aber die anderen Spieler auch", hatte der Coach zuvor gesagt und damit die vermutlich größte Schwierigkeit benannt. Kovac hat sich gegen die Rotation entschieden, muss aber nun den aufkommenden Frust geschickt moderieren. "Wenn Not am Mann sein sollte, wird er mit Sicherheit auch seine Minuten bekommen" – ein solcher Kommentar ist dabei gewiss nicht die eleganteste Wahl. (sid, red, 7.10.2019)