Ikea verkauft nicht nur Möbel und Dekorationen, sondern ein Lebensgefühl. Weltoffen und hip präsentiert sich das Möbelhaus, das eine emotionale Nähe zu seinen Kunden sucht und sie alle gleich mit "Du" anredet.

Das skandinavische Unternehmen steht aber auch seit Jahren im Fokus der Kritik von NGOs und den Grünen im Europäischen Parlament, weil Ikea eine besonders aggressive Form der Steueroptimierung betreiben soll. Für Ikea dürfte diese Strategie nun ein Nachspiel haben.

Wie die Nachrichtenagentur Reuters am Montag unter Berufung auf zwei Insider berichtete, steht die EU-Kommission kurz vor dem Abschluss ihrer Steuerermittlungen gegen den schwedischen Konzern. Demnach dürfte das Unternehmen zur Nachzahlung von Steuern in Millionenhöhe in den Niederlanden verdonnert werden.

Bericht der Grünen

Der ganze Fall geht auf einen von den Grünen im Jahr 2016 vorgelegten Bericht zu Ikea zurück. Der Report zeigt, wie Ikea eine länderübergreifende Firmenstruktur nutzt, um seine Steuerlast in Europa massiv zu minimieren. Hunderte Millionen Euro erspare sich der Konzern auf diese Weise.

Im Fokus steht eine niederländische Gesellschaft, die Inter Ikea Systems BV. Jedes der 370 Möbelhäuser des Franchiseunternehmens muss drei Prozent seiner Verkaufserlöse an die Ikea Systems in die Niederlande abführen, hieß es im Bericht der Grünen. Das ist eine Pauschale für die Nutzung des Markennamens. Diese Beträge schmälern die Höhe des Firmengewinns in anderen Ländern. Lizenzgebühren zu zahlen ist nichts Ungewöhnliches.

Außergewöhnlich ist aber, wie Ikea mit diesem Geldfluss weiter verfuhr. Der größte Teil des Geldes wird aus dem Land wieder rausgeschafft, und zwar so, dass am Ende des Tages das Unternehmen seine Gewinne kaum irgendwo besteuert.

Dazu bedient man sich eines konzerninternen Kredits. Ikea Systems in Holland hat sich 2012 ein Darlehen in Höhe von 5,4 Milliarden Euro bei einer anderen Ikea-Gesellschaft namens Interogo in Liechtenstein geholt. Ikea Systems in den Niederlanden zahlt dieses Darlehen ab. Diese Geldflüsse sorgen dafür, dass in den Niederlanden fast kein Gewinn übrig bleibt, der besteuert werden kann.

Ikea nutzte Lizenzzahlungen um seine Steuerlast zu drücken.

Das Geld landet bei einer zwischengeschalteten Gesellschaft in Luxemburg, wo es mit 0,06 Prozent besteuert wird. Die Luxemburger zahlen ihrerseits eine Dividende an Interogo in Liechtenstein. Interogo ist eine Stiftung, die Dividende bleibt daher steuerfrei. Laut den Grünen liegt die reale Steuerquote Ikeas auf die Lizenzgebühren zwischen null und fünf Prozent.

Die Ermittlungen der Kommission konzentrierten sich auf zwei Tax-Rulings aus den Niederlanden von 2006 und 2011. Mit diesen Vorabentscheidungen hat die niederländische Finanzverwaltung das Ikea-Steuersparmodell genehmigt. Die Kommission sieht darin nun aber offenbar das Äquivalent zur Gewährung einer illegalen Staatsbeihilfe. Ikea bestreitet alle Vorwürfe: Der Konzern lege Wert darauf, alle Steuern zu zahlen. "Wir glauben, das auch in diesem Fall getan zu haben", so Inter Ikea auf STANDARD-Anfrage.

Holland-Connection

Die Causa wirft ein schiefes Licht auf den Finanzplatz Niederlande. Das EU-Land gilt als eine der größten Steueroasen weltweit. Die Niederlande bieten sich als internationale Drehscheibe für Firmenholdings an, die letztlich nur dazu da sind, Geldflüsse steuerschonend weiterzuleiten, sagt der Finanzwissenschafter Thiess Büttner von der Uni Nürnberg-Erlangen. "Die Niederlande betreiben das sehr aggressiv."

Büttner hat etwa untersucht, über welche Länder große deutsche Konzerne Gewinne verschieben. Ganz vorn in seiner Studie dazu landeten nicht die Bahamas oder die Cayman Islands, sondern die Niederlande. Diese Rolle des Landes wird allerdings in der EU nur wenig diskutiert.

Global steht das Problem innerhalb der Industriestaatenorganisation OECD im Fokus. Dort wird über eine globale Mindeststeuer für Unternehmensgewinne beraten. Das Ziel ist, bis Ende 2020 eine politische Einigung dazu zu haben. Die Idee dahinter wäre, dass Staaten Unternehmensgewinne auch dann unter gewissen Umständen besteuern können, wenn diese Gewinne im Ausland erwirtschaftet wurden, aber die Steuerlast unter dem fixierten Mindeststeuertarif liegt. (András Szigetvari, 7.10.2019)