Der neue Weg der CSU: Ministerpräsident (und Fastnachts-Shrek) Markus Söder wird grün, Horst Seehofer in der Asylpolitik generöser.

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So lange ist es noch nicht her, da waren die Rollen in Bayern ganz anders verteilt. Die Grünen: Klimahysteriker, denen der Wirtschaftsstandort egal ist. Die CSU hingegen: Schutzpatronin der Unternehmen und natürlich der flotten Autofahrer – also die Stimme der Vernunft.

Jeden Tag konnte man im Landtagswahlkampf 2018 derlei von der CSU hören. Und dann kamen die Grünen bei der Wahl am 14. Oktober auf 17,5 Prozent. In Hessen waren es wenig später 19,8 Prozent, auch bei der EU-Wahl, bei den Landtagswahlen in Bremen, Sachsen und Brandenburg legten die Grünen zu.

Irgendwann in diesem heißen Sommer 2019 muss der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) beschlossen haben, dass auch er von diesem Boom profitieren möchte – wenngleich er das anders formuliert. "Wir sind nicht getrieben, sondern überzeugt. Die Themen Umwelt- und Naturschutz haben die Grünen nicht gepachtet", sagt er, und so mancher kommt aus dem Staunen gar nicht mehr heraus, denn es vergeht kaum eine Woche ohne neue Vorschläge.

Zahlreiche Maßnahmen

30 Millionen neue Bäume im Staatswald will Söder, zudem den Klimaschutz ins Grundgesetz schreiben, keine Plastiksackerln mehr, Bahntickets vergünstigen, den Kohleausstieg nicht erst 2038, sondern schon 2030, Bienen retten, mehr Solarenergie, sogar mehr Windkraft. Früher hingegen hatte man in der CSU gern über die drohende "Verspargelung" der Landschaft geklagt.

Bei seinem Strategiewechsel dürfte Söder auch das Nachbarbundesland Baden-Württemberg im Auge gehabt haben. Dort kamen die Grünen im Jahr 2011, kurz nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima, an die Macht, Winfried Kretschmann wurde erster grüner Ministerpräsident in Deutschland. Er sitzt bis heute in der Staatskanzlei und ist so beliebt, dass er 2021 zum dritten Mal zur Wahl antreten und dann auch noch fünf Jahre regieren will.

Offiziell hat Söder die CSU hinter sich, er selbst musste allerdings einräumen, dass nicht jeder von Anfang an begeistert war. "Wir dürfen den Gaul des Zeitgeists nicht zu Tode reiten", warnt etwa Ex-Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU). Und Thomas Kreuzer, Fraktionschef im bayerischen Landtag, betont, er habe Verständnis "für jeden der sagt, wir sollen es nicht übertreiben".

Man rätselt, ob Söder diesen Kurs auch wirklich durchhalten wird oder nicht doch wieder umschwenkt, wenn die Konjunktur einbricht und sich Menschen mehr um ihren Job sorgen als um das Klima. "Wir haben den Umweltschutz erfunden und das erste Umweltministerium in Bayern gegründet", hält Söder den Skeptikern entgegen.

Der Bart von Robert Habeck

Vielleicht hat der weniger beliebte Söder mit Robert Habeck, dem Grünen-Chef und Umfragen-Darling, auch noch eine persönliche Rechnung offen. Beim politischen Aschermittwoch in Passau trat Söder heuer zur Abwechslung unrasiert auf und lästerte über Habecks Drei-Tage-Bart: "So lässig wie der sind wir schon lange. Bloß wächst bei uns mehr, das ist der Unterschied."

Verkehrte Welt – das denken viele derzeit auch mit Blick auf Innenminister Horst Seehofer (CSU). Dieser bekommt sogar Lob vom Grünen-EU-Abgeordneten Erik Marquardt für die Zusage, jeden vierten im zentralen Mittelmeer geretteten Bootsflüchtling in Deutschland aufzunehmen.

Auch dieser Kurswechsel sorgt in Berlin wie München für viel Gesprächsstoff, erinnert man sich doch noch sehr gut an den langen Asylzank zwischen CDU und CSU. Am liebsten hätte Seehofer die Flüchtlinge damals persönlich an der Grenze abgewiesen.

Erinnerungen an Merkel

Nun aber sagt er: "Es ist unglaublich, dass man sich als Bundesinnenminister für die Rettung von Menschen vor dem Ertrinken rechtfertigen muss" – was stark an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) erinnert, die 2015 angesichts der vielen, die nach Deutschland wollten, erklärt hatte: "Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land."

Jetzt allerdings irritiert die neue Milde Seehofers. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer warnt: "Wir wissen alle miteinander, dass wir bei all dem, was wir festlegen, immer darauf achten müssen, dass wir nicht das Geschäftsmodell von Schleppern bedienen, dass es Pull-Effekte gibt." Aber "der Horst" bleibt jetzt erst mal auf seinem Kurs. Vielleicht kommt ja später wieder eine Kehrtwende. (Birgit Baumann aus Berlin, 7.10.2019)