Strache repostete einen Artikel mit dem Titel "Totgesagte leben länger".

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Der Wiener FPÖ-Landesvorstand schien am Montagabend vorerst jegliche Spekulationen über ein Nationalratsmandat für die bisherige – laut eigenen Aussagen ehrenamtliche –Tierschutzbeauftragte der Partei beendet zu haben. Per Aussendung gab man bekannt, dass Justizsprecher Harald Stefan aufgrund "des jüngst massiv erlittenen Verlustes" bei der Nationalratswahl über die Landesliste ins Parlament einziehen und Philippa Strache aufgrund des schwachen Landesergebnisses leer ausgehen wird. Man habe "die Verantwortung gegenüber der freiheitlichen Wählergemeinde mit besonderer Sorgfalt wahrzunehmen", hieß es aus der Partei. "Damit folgen wir auch einer starken Willensbildung des Bundesparteivorstandes", war zu lesen.

Verwirrung um Strache-Mandat

Das alles scheint am frühen Dienstagnachmittag nun wieder unklar. Offenbar gibt es nämlich zwei konkurrierende Rechtsauffassungen. Die FPÖ ist der Meinung, dass sie selbst entscheiden könne, ob Stefan das Regionalwahlkreis- oder das Landeslistenmandat zugeteilt wird. Andere gehen wiederum davon aus, dass Stefan das Grundmandat im Regionalwahlkreis zugewiesen werden muss.

Die Landeswahlbehörde lässt nun prüfen, ob Stefan das Regionalwahlkreismandat zugewiesen werden muss. Die Frage lasse man nun vom Innenministerium klären, bestätigte Christine Bachofner, die Leiterin der zuständigen Magistratsabteilung 62, der APA am Dienstag diesbezügliche Onlineberichte. Man habe die entsprechende Sitzung der Landeswahlbehörde deshalb auf den Mittwoch vertagt. Im Ministerium bestätigte man wiederum die Anfrage aus Wien. Man werde diese prüfen, hieß es auf APA-Anfrage. Der Ball liegt also bis morgen bei der Wahlbehörde.

"Oe24" hatte zuvor berichtet, dass Harald Stefan sein Regionalkreimandat bereits vor den Turbulenzen angenommen habe und dass diese Entscheidung auch nicht rückgängig gemacht werden könne. Harald Stefan bestätigte jedoch dem STANDARD, dass er das Regionalwahlkreismandat noch nicht angenommen habe. Generell muss ein Mandat jedoch gar nicht angenommen werden. Es wird zugewiesen und gegebenenfalls zurückgewiesen.

Spekulationen über vertrauliche Deals

Genau vor einer Woche hatte Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache mit seinem freundlichen, konzilianten Ton gegenüber der Partei bei seiner Rücktrittsrede noch für Spekulationen gesorgt, dass es eine Art "Waffenstillstand" zwischen den Straches und der FPÖ gibt.

Wie schon bei der Listenerstellung für die Nationalratswahl schwebte auch in den vergangenen Tagen der Verdacht eines vertraulichen Deals in der Luft. Hieß es damals noch, es gibt einen – wie sich am Ende herausstellte, doch nicht so – aussichtsreicher Listenplatz für Philippa Strache gegen Heinz-Christian Straches Verzicht auf ein EU-Mandat, so gingen diesmal viele davon aus, dass sein selbstverordneter Rückzug weiteren gegenseitigen Anwürfen zuvorkommen sollte.

Ganz öffentlich ging Heinz-Christian Strache sogar am Abend seines Rücktritts noch davon aus, dass seine Ehefrau den Namen Strache weiterhin im Hohen Haus vertreten werde. "Das ist ein klarer Wählerauftrag und Wählerwunsch, der mit großer Verantwortung verbunden ist. Mit Philippa kommt eine junge, engagierte und starke Frau, welche sich in Zukunft im FPÖ-Parlamentsklub verstärkt für Familien, Frauen und den wichtigen Tierschutz einsetzen wird", schrieb er auf seiner privaten Facebook-Seite.

Straches Retourkutsche

Ebenjenes Medium war es nun auch, das er am späten Montagabend zu einer ersten Retourkutsche nutzte: Entgegen seiner Ankündigung eines kompletten Rückzugs aus der Politik teilte er einen Artikel von "epochtimes.de" über gute Chancen einer möglichen Strache-Partei. Der Onlineauftritt des Mediums gilt nicht zuletzt wegen seiner ausländerfeindlichen und Pegida-freundlichen Artikel als "Leitmedium der Rechtspopulisten", wie die "Zeit" schrieb.

Unter dem Titel "Totgesagte leben länger: Strache-Partei könnte es auf Anhieb in den Nationalrat schaffen" berichtet die Seite über eine von der Gratiszeitung "Heute" online veröffentlichte Umfrage mit einem relativ kleinen Sample von 503 Personen. Darin sieht Unique Research ein Potenzial von 16 Prozent Wählerstimmen beziehungsweise fünf Prozent sicheren Wählern für eine solche FPÖ-Abspaltung.

Viel Zuspruch

In der Kommentarspalte machte sich bei manchem Strache-Fan sogleich die Hoffnung breit, dass der Rückzug – wie vielerorts bereits vermutet – doch nicht so endgültig sein könnte. Von "jetzt erst recht" über Ermunterungen zu einem Antreten bei der Wien-Wahl 2020 bis hin zum Angebot eines "außerparlamentarischen Sondierungsgesprächs" für die Aufnahme beim Pegida-Österreich-Nachfolger Freie Heimatliche Bewegung (FHB) ist alles dabei.

Dutzende Personen versprechen dem ehemaligen Parteichef ihre Stimme für den Fall einer eigenen Kandidatur. Dieser Zuspruch in den sozialen Netzwerken kann durchaus nicht unbedeutend sein. Ein Freiheitlicher beschrieb die Gefühlswelt Straches in der Wochenendausgabe des STANDARD so: "Strache ist derzeit in einem psychischen Ausnahmezustand." Rational habe er eingesehen, dass er sich von der Partei lösen müsse, aber: "Dann stürmen wieder drei Leute auf ihn zu, um mit ihm ein Selfie zu machen – dann glaubt er wieder, es braucht ihn noch in der Politik."

Enttäuschter Strache

Auch Strache selbst bringt seinen Unmut auf Facebook mittlerweile zum Ausdruck und spricht von angeblichen Troll-Accounts von Alexander Höferl, Kickls ehemaligem Kommunikationschef im Innenministerium und Ex-Chefredakteur von "unzensuriert.at".

In einem weiteren Kommentar droht er gar mit einer Klage, um die Rechte an seiner alten, weitaus einflussreicheren Facebook-Seite zurückzuerlangen. Seine Frau habe die Social-Media-Kanäle der Partei auf Platz eins "in der politischen Landschaft gebracht. Genauso wie man mir meine Fanseite heute neidig ist, welche mein persönliches Eigentum ist und ich nunmehr einklagen will!", Strache.

Unter einem Solidaritätsposting von Mario S., Mitglied der Freiheitlichen Jugend, schrieb Strache, dass selbst die Linken keinen vergleichbaren "Rufmord" und keine "Sippenhaftung gegen Philippa" begangen hätten. "Soll das freiheitlich sein?", fragt Strache.

Rundumschlag von Grosz

Bereits am Sonntagmorgen hatte Strache ohne jeden persönlichen Kommentar – was für sein Facebook-Verhalten durchaus untypisch ist – zwei Beiträge gepostet, die für Unmut in der Partei gesorgt haben dürften. Im ersten war davon die Rede, dass sich ein gewisser Siegmund K. "im Namen aller FPÖ-Granden, welche auf einem Strache-Mandat sitzen und ihm jetzt als Dank für seine Aufbauarbeit in den Rücken fallen", entschuldige. Strache habe sich immer schützend vor sie gestellt. Er spricht dabei "Udo, Harald, Herbert, Mario und viele mehr" direkt an und meint damit wohl die hochrangigen FPÖ-Politiker Udo Landbauer, Harald Vilimsky, Herbert Kickl und Mario Kunasek.

Wenig später hatte Strache ein Video des Ex-FPÖ-Politikers Gerald Grosz, der einst nach der Abspaltung des BZÖ selbst das damals sinkende Schiff FPÖ verließ, geteilt. In diesem attackierte Grosz jene "qualifikationslosen Emporkömmlinge", die "mit Schaum vor dem Mund wie die Hyänen über ihren ehemaligen Übervater herfallen, ihn für gänzlich vogelfrei erklären, ihn auf Zuruf schuldig sprechen". In einem knapp zweieinhalbminütigen Video ließ er sich in einer Schimpftirade über "schwindsüchtige Blutsäufer, blau angepinselte Wasserhydranten, Speichellecker und Mastdarmakrobaten, die in unseren Städten ihre Schleimspur hinterlassen, HC gebrüllt haben und heute den Stab über ihren Mentor brechen", aus. "So gewinnt ihr keine einzige Wahl mehr", resümierte er das Video, das er mit Gründen für den Absturz der Freiheitlichen betitelte.

Auch deshalb finden sich in den Kommentaren zu den von Strache geposteten Artikeln wieder zahlreiche Aufforderungen von FPÖ-Anhängern, den Rücktritt tatsächlich als endgültig zu betrachten, um eine Spaltung des freiheitlichen Lagers zu verhindern. Philippa Strache äußerte sich bislang nicht öffentlich über das nicht erhaltene Mandat. (Fabian Sommavilla, 8.10.2019)