"Frau Professa, wo isn die Anwesenheitslistn?": Egal ob im Arkadenhof der Universität Wien, auf dem Campus der Med-Uni oder in den Seminarräumen der TU – die für den Semesterbeginn typische Aufbruchsstimmung ist spürbar. Wenn man jetzt durch die Luke in das Audimax, den größten Hörsaal der Universität Wien, blickt, ist der Großteil der 750 Sitzplätze besetzt. Und wie dieser Hörsaal "klingt", damit beschäftige ich mich in meinem von der Österreichischen Akademie der Wissenschaften geförderten Dissertationsprojekt.

Das Audimax ist voll. Wie wird dort gesprochen?
Foto: Lisa Krammer

Universitäten als Sprachbiotope

Im Unterschied zum sekundären Bildungsbereich (weiterführende Schulen) ist die Sprach(en)verwendung im tertiären Bildungsbereich (Universitäten, Fachhochschulen) in Österreich kaum beziehungsweise noch wenig erforscht. Hochschulen sind Orte der Mobilität. Insbesondere Wiener Universitäten weisen ein breites Einzugsgebiet auf und fungieren als Schmelztiegel regionaler und internationaler, sprachlicher und kultureller Vielfalt.

Wie vielfältig sind die sprachlichen Interaktionen im Kontext universitärer Lehre? Und wie intensiv wird das Variationsspektrum (zwischen dialektalen und hochdeutschen Sprechweisen) innerhalb der deutschen Sprache von Studierenden und Lehrenden genutzt?

Die gesellschaftliche Erwartung ist, dass der Wissenschaftsbetrieb ein öffentlicher Bereich ist, in dem überwiegend – auf alle Fälle während der Lehrveranstaltungen – auf Hochdeutsch interagiert wird. Als ich meiner Oma erstmals von meinem Projekt erzählte, meinte diese erstaunt: "Und wos untersuachst du do an da Uni genau, do spricht man jo eh nur Hochdeitsch." Aber ist dem wirklich so? Entspricht das auch den individuellen Einschätzungen und Wahrnehmungen der Akteurinnen beziehungsweise Akteure, also der Studierenden und Lehrenden?

Wer spricht wie mit wem und warum?

Ich möchte von Studierenden mithilfe eines Online-Fragebogens erfahren, welche verschiedenen Sprechweisen des Deutschen (Varietäten) sie wann, in welcher Situation, mit wem, wie und warum im Kontext universitärer Lehre verwenden. Viele Probandinnen und Probanden stellen dabei fest, dass sie zum ersten Mal über ihren eigenen Sprachgebrauch nachdenken und sich bewusst fragen: Wie spreche ich eigentlich an der Uni? In unterschiedlichen Lehrveranstaltungstypen wie Vorlesung, Übung, Seminar? Spreche ich in Gesprächs- und Situationskonstellationen wie Gruppenarbeit oder Diskussion im Plenum anders als bei einer mündlichen Prüfung oder in einer Sprechstunde?

In verschiedenen Situationen wird auf unterschiedliche Sprechweisen zurückgegriffen.
Foto: derstandard.at/www.corn.at Heribert CORN

Für die Untersuchung wurden Studierende der größten Studienrichtungen an den fünf größten Universitäten in Wien (Universität Wien, Technische Universität Wien, Wirtschaftsuniversität Wien, Universität für Bodenkultur Wien, Medizinische Universität Wien) ausgewählt.

Eine "schöne" Sprache

"Ich halte den universitären Rahmen für äußerst angemessen, um eine 'schöne Sprache' zu pflegen. Privat is ma recht wurscht." Diese Aussage einer Studierenden umfasst viele Aspekte, die im Rahmen meines Projekts eine Rolle spielen: Angemessenheit, Ansehen und Stellenwert von Sprechweisen, eine Unterscheidung zwischen privaten/öffentlichen, formellen/informellen, vorbereiteten/spontanen Kontexten. Durch den Switch, den Wechsel vom Hochdeutschen in eine eher dialektale Sprechweise, verstärkt die zitierte Person ihre Aussage zusätzlich.

Aspekte wie Höflichkeit, Respekt und eine präzise und eloquente Ausdrucksweise werden von Studierenden aller Studienrichtungen mit dem Hochdeutschen in Verbindung gebracht. Diverse Vortragssituationen werden ebenso einer hochdeutschen Sprechweise zugeordnet. Besonders in Kommunikationssettings außerhalb der Lehrveranstaltung oder in der Sprechstunde wird das Variationsspektrum von Studierenden und Lehrenden stärker ausgeschöpft.

Unterschiedliche Kontexte der Lehre, die in meiner Studie untersucht werden.
Foto: Lisa Krammer

Nicht nur Studierende geben in meiner Arbeit über ihre persönliche Sprachverwendung und die möglichen Gründe dafür Auskunft, sondern auch Lehrende tun dies im Zuge von Interviews.

Die aktuelle Befragung ist noch nicht abgeschlossen, es gibt aber bereits Ergebnisse der Vorstudie. Welche das sind, kann man beim folgenden kleinen Test selbst herausfinden:

(Lisa Krammer, 18.10.2019)