Bemerkenswert ist die Wortmeldung von Mitch McConnell, dem mächtigen Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, der bisher stets verlässlich hinter Donald Trump gestanden ist.

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Auch der Trump-Freund Lindsey Graham griff den Präsidenten scharf an.

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Wenn selbst Lindsey Graham und Mitch McConnell Kritik am US-Präsidenten üben, dann muss Donald Trump tatsächlich mit Gegenwind rechnen. Die beiden einflussreichen Senatoren (Graham für South Carolina, McConnell für Kentucky) kritisierten am Montag Trumps Entscheidung, US-Soldaten aus der syrisch-türkischen Grenzregion abzuziehen. "Diese impulsive Entscheidung des Präsidenten hat alle Gewinne, die wir gemacht haben, zu Fall gebracht, die Region in weiteres Chaos gestürzt", sagte Graham, der als sehr enger Vertrauter Trumps gilt, am Montag dem Sender Fox News.

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Er erwarte sich vom Präsidenten der Vereinigten Staaten, dass dieser die Sicherheitsinteressen des Landes voranstelle. Es entspreche niemals den Interessen des Landes, wenn die USA einen Verbündeten im Stich lassen, der ihnen dabei geholfen habe, den "Islamischen Staat" (IS) zu bekämpfen.

Das Weiße Haus hatte am Sonntagabend angekündigt, sich einer türkischen Offensive gegen die Kurdenmilizen in Nordsyrien nicht in den Weg zu stellen. Die Kurden stellten bislang die wichtigsten Verbündeten der USA in der Region dar. Daraufhin kündigte der türkische Präsident Tayyip Erdoğan an, der Militäreinsatz in Nordsyrien könne "jederzeit" beginnen. Ankara will eine Sicherheitszone jenseits seiner Grenze zu Syrien schaffen, um dort ein von Kurden selbstverwaltetes Gebiet zu verhindern sowie syrische Flüchtlinge aus der Türkei unterzubringen.

In einer Stellungnahme zur Nachrichtenagentur Reuters sprachen zwei türkische Sicherheitsbeamte davon, dass es bereits erste Angriffe auf die syrisch-irakische Grenze in der Nacht auf Dienstag gegeben habe. Dadurch sollte die Versorgungslinie der kurdischen Streitkräfte unterbrochen werden. Es ist nicht bekannt, welcher Schaden verursacht und ob Menschen verletzt wurden.

Ein Sprecher des Weißen Haus kündigte am Dienstag an, dass Präsident Erdoğan am 13. November zu Besuch beim US-Präsidenten sein wird. Damit ist er der Einladung Trumps geflogt.

"Kurzsichtig und verantwortungslos"

Auf Twitter kündigte Senator Graham eine Resolution im Senat an, um die Entscheidung umzukehren, sollte der Plan vorangetrieben werden. Der Türkei drohte er zudem Sanktionen an, sollte sie "einen Fuß nach Syrien setzen": "Ich hoffe, ich mache klar, wie kurzsichtig und verantwortungslos diese Entscheidung aus meiner Sicht ist", hielt Graham fest.

Bemerkenswert scharf fiel auch die Verurteilung durch Mitch McConnell aus, den Mehrheitsführer der Republikaner im Senat und einen der treuesten Trump-Loyalisten. Wie schon Graham verglich McConnell Trumps Abzugsentscheidung mit der Politik dessen Vorgängers: Barack Obama hatte Ende 2011 US-Truppen aus dem Irak abgezogen. Anschließend hatte sich von dort aus die Terrormiliz IS formiert. Der Vergleich mit dem von ihm so verhassten Amtsvorgänger dürfte den Präsidenten besonders schmerzen.

McConnell rief in einem Statement den Präsidenten "dringend" dazu auf, in Syrien amerikanische "Führungsstärke" zu beweisen und die US-Truppen dort zu belassen. Von einem Rückzug würden allein der Iran, das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad und der IS profitieren. McConnell warnte vor der Gefahr eines "signifikanten Konflikts" zwischen der Türkei und den Kurdenmilizen.

Auch die frühere US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, die Republikanerin Nikki Haley, schloss sich am Montag der internen Kritik an. Sie schrieb auf Twitter: "Die Kurden waren maßgeblich an unserem erfolgreichen Kampf gegen den IS in Syrien beteiligt. Sie sterben zu lassen ist ein großer Fehler."

"Großartige und unvergleichliche Weisheit"

Trump verteidigte hingegen seinen Vorstoß und warnte die Türkei zugleich vor einem Fehlverhalten bei einem Einmarsch in Syrien. Sollte Ankara sich nicht "human" verhalten, werde das schwere wirtschaftliche Konsequenzen haben, kündigte Trump am Montagabend an. Auf Twitter schrieb er: "Wenn die Türkei irgendetwas unternimmt, was ich in meiner großartigen und unvergleichlichen Weisheit für tabu halte, werde ich die türkische Wirtschaft vollständig zerstören und auslöschen."

Außerdem versuchte der Präsident seine Kritiker ein klein wenig zu besänftigen: Lediglich 50 US-Soldaten seien bislang aus Nordsyrien abgezogen und an andere Militärstandorte im Land verlegt worden. "Das bedeutet keinen Abzug aus Syrien", schwächte ein ranghoher Regierungsbeamter gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters die Ankündigung ab. Der Rückzug dieser Kräfte aus dem Norden bedeute auch keineswegs grünes Licht für die Türken, ein Massaker an den Kurden zu begehen.

Die Türkei gab sich von Trumps Drohnungen unbeeindruckt. "Unsere Botschaft an die internationale Gemeinschaft ist klar – die Türkei ist kein Land, das sich von Drohungen bewegen lässt", sagte Vizepräsident Fuat Oktay am Dienstagvormittag während einer Rede an einer Universität in Ankara.

Kurden bestätigten Rückzug

Die von Kurden dominierten Syrisch-Demokratischen Kräfte (SDF) haben am Montag bestätigt, dass der Abzug von US-Truppen aus der Grenzregion begonnen habe. Zuvor hatte Trump getwittert, es sei an der Zeit, aus diesen "lächerlichen endlosen Kriegen" herauszukommen und "unsere Soldaten nach Hause zu bringen". Die Türkei will die bisher mit den USA verbündete Kurdenmilizen aus der Grenzregion vertreiben und dort Syrien-Flüchtlinge ansiedeln.

Die plötzliche Entscheidung des US-Präsidenten, die kurdischen Verbündeten in der Region fallenzulassen und einer türkischen Offensive damit nicht mehr im Weg zu stehen, stößt auch bei den Demokraten auf vehemente Ablehnung. Die Sprecherin des Repräsentantenhauses, die Demokratin Nancy Pelosi, warf Trump vor, die Kurden zu verraten. Die Entscheidung stelle "eine direkte Bedrohung für regionale Sicherheit und Stabilität dar und schickt eine gefährliche Nachricht sowohl an den Iran und Russland als auch an unsere Verbündeten, dass die Vereinigten Staaten kein zuverlässiger Partner mehr sind". Sie forderte den Präsidenten dazu auf, seine Entscheidung zurücknehmen. (giu, 8.10.2019)