Siegmund (Sigismund) Schwarz hätte seine ersten Lebensjahre wohl gar nicht in Vorarlberg verbracht, wäre sein Vater nicht im April 1847 kurzfristig aus Bozen ausgewiesen worden. So begab es sich, dass seine Eltern Flora, geborene Bernheimer (1818–1905) und Ernst Schwarz (1805–1897) ihre Familie im heimatlichen Hohenems begründeten und Sigmund (wie ihn das Geburtsregister der Israelitischen Kultusgemeinde Hohenems verzeichnete) am 30. März 1849 als erstgeborener Sohn das Licht der Welt erblickte. Drei weitere Geschwister, darunter sein späterer Geschäftspartner Arnold Schwarz (1853–1935), sollten das Erwachsenenalter erreichen.

Die geschäftlichen Verbindungen in Südtirol hatte der Vater bereits mit seinen Brüdern in den 1830er-Jahren aufgebaut und war hier insbesondere im Brauereiwesen tätig. Ein einseitig aufgelöster Pachtvertrag durch die Stadt Bozen war jedoch mit der kurzfristigen Ausweisung verbunden und so gründete Ernst Schwarz 1848 in Hohenems ein Bankhaus, welches, nach der erfolgreich erkämpften Aufhebung des Ausweisungsbescheids, auch um eine Filiale in Bozen erweitert werden sollte. Seine Brüder kehrten nach Südtirol zurück und setzten die Brauereigeschäfte fort. Diese konzentrierten sich zunächst auf die bereits gepachtete Klösterle-Brauerei in Gries und im Besonderen auf die 1849 erworbene Brauerei in Vilpian.

Briefkopf der Dampfbrauerei der Gebrüder Schwarz in Vilpian, 3. Oktober 1912.
Foto: Jüdisches Museum Hohenems, Archiv

"Rückkehr" nach Südtirol

Beide Sparten der Schwarz'schen Familienunternehmungen sollten Siegmund mit seinem Berufseintritt 1874 nach Südtirol führen. In diesem Jahr suchte sein Vater in Bozen um das Heimatrecht an und stellte Siegmund ebenda als Prokuraführer ein. Bereits zwei Jahre darauf übernahm er gemeinsam mit Arnold, der in Hohenems geblieben war, das Bankhaus und führte es unter dem Namen "Ernst Schwarz Söhne" an den beiden Standorten weiter.

Bozen sollte auch die neue Heimat Siegmunds werden. So heiratete er dort 1879 die aus dem schweizerischen La Chaux-de-Fonds stammende Kamilla Braunschweig (1858–1893); es folgten mit Erwin (1880), Lucie (1882) und Oswald (1885) drei Kinder. Wohl auch zur Erholung stand der Familie die 1886 erbaute Villa Camille am Mendelpass, oberhalb der Ortschaft Kaltern, zur Verfügung. Der Name des noch heute existierenden Gebäudes erinnert dabei an seine Ehefrau, die nach längerer Krankheit im Alter von 35 Jahren verstarb.

Villa Camille, Mendelpass, Südtirol/Trentino, erbaut 1886.
Foto: Raphael Einetter

Spätberufener Eisenbahnpionier

Beruflich war für Siegmund neben dem Bankiers- und Brauereigeschäft schon zu Beginn der 1890er-Jahre ein drittes Standbein in den Vordergrund getreten. So war er zunächst am Bau der Mori-Arco-Riva-Bahn beteiligt, welche die Schienenanbindung des Gardasees an die Brennerbahn sicherstellte. Ideen zu diesem sowohl touristisch als auch militärisch bedeutsamen Projekt gediehen schon seit etwa zwanzig Jahren, waren jedoch aus unterschiedlichen Gründen gescheitert. Im November 1889 wurde schließlich die Konzession für die Errichtung der ersten Tiroler Schmalspurbahn vergeben, deren Finanzierung durch "E. Schwarz Söhne" sichergestellt wurde und die im Jänner 1891 auf einer Länge von gut 24 Kilometern eröffnet werden konnte. Die "Localbahn Mori-Arco-Riva am Gardasee", deren Verwaltungsrat Siegmund Schwarz als Präsident vorstand, beförderte im Jahr 1896 fast 100.000 Personen und mehr als 13.000 Tonnen Güter, stellte den Betrieb aber 1936 ein, da sie dem Konkurrenzkampf mit dem motorisierten Individualverkehr nicht mehr standhalten konnte.

Steil bergauf mit Mendel- und Virglbahn

Das Familienimperium unterstand nach dem Tod ihres Onkels Wilhelm (1892) und ihres Vaters (1897) nur mehr den Brüdern Arnold und Siegmund. Die Vorarlberger Filiale der Privatbank übersiedelte 1883 von Hohenems nach Feldkirch, während die Entwicklung der Brauerei in Vilpian rasch vorangetrieben wurde. Siegmund widmete sich zudem weiterhin dem Ausbau der Eisenbahn. So war er mit Investitionen an der 1898 eröffneten Überetscher Bahn beteiligt und stand auch deren Aktiengesellschaft ab 1901 als Präsident vor. Die Bahn führte zunächst rund 15 Kilometer nach Kaltern am Fuße des Mendelgebirges.

Eine Weiterführung der Trasse erwies sich rasch als wünschenswert, wurde 1902 in Angriff genommen und nach 14 Monaten konnte die damals steilste Standseilbahn Europas im Oktober 1903 eröffnet werden. Diese überwand die 854 Höhenmeter aus dem Ortsteil St. Anton auf den Mendelpass ursprünglich in einer halben Stunde und endete einen Steinwurf von der Villa Camille entfernt. Heute benötigt sie nur mehr zwölf Minuten und hat, im Gegensatz zur Zulaufstrecke durch Kaltern und der Überetscher Bahn (beide 1963 aufgelassen), die Jahrzehnte überdauert.

Mendelbahn mit Station Mendel, Stengel & Co. Dresden, 1904.
Foto: Jüdisches Museum Hohenems, Archiv

Das finanzielle Engagement Siegmunds bildete auch die Grundlage für einige weitere Bahnprojekte wie die Verbindung zwischen Meran und Mals (Eröffnung 1906) oder jene auf den Virgl (1907 eröffnet, 1943 endgültig eingestellt), die der Mendelbahn zwischenzeitlich den Rang als steilste Standseilbahn Europas abgelaufen hatte. Bereits 1902 ging in Vorarlberg die erste, ebenfalls von den Gebrüdern mitfinanzierte Straßenbahnverbindung zwischen Dornbirn und Lustenau in Betrieb.

Unermüdliche Geschäftigkeit

Umwälzungen im Bankensektor hatten zur Folge, dass im Juli 1904 das Bankhaus "E. Schwarz Söhne" in die Strukturen der "k. k. priv. österreichischen Credit-Anstalt" eingegliedert wurde, die Leitung der Bozner Filiale oblag jedoch bis zu dessen Lebensende weiterhin Siegmund.

Siegmund erkannte durch die neu erbauten Schienenverbindungen aber auch die Möglichkeit, vom daraus resultierenden Tourismusaufschwung zu profitieren. So beteiligte er sich an Projekten in der Hotellerie, beispielsweise in Riva, Eppan oder Trafoi, und war im Gastgewerbe aktiv. In der Gastwirtschaft "Vilpianer Bierquelle" am Bozner Bahnhof wurde neben Wein natürlich auch Bier aus der eigenen Brauerei angeboten. Dieser stand er noch in seinen späten Lebensjahren vor und beteiligte mit der Umwandlung in eine GmbH im Jahr 1914 seine Söhne ebenfalls daran. Siegmund bekleidete außerdem das Präsidentenamt der Südtiroler Sektion des "Schutzverbandes alpenländischer Brauereien" und war als Vorstand des israelitischen Kultuskomitees für Südtirol aktiv.

Jüdischer Friedhof Bozen, Familiengrabstein Schwarz.
Foto: Raphael Einetter

Am 30. Oktober 1919 verstarb er nach kurzer Krankheit in Bozen und wurde dort im Familiengrab auf dem Jüdischen Friedhof bestattet. Heute tragen zwei Straßen, sowohl in Bozen als auch in Vilpian, seinen Namen. (Raphael Einetter, 11.10.2019)