Seit drei Jahren gibt es den Kunstraum Kevin Space. Die Schau "Abandon(ed) Vessel" der Londonerin Dominique White lässt dort gerade Utopien der Schwarzen Diaspora aufleben.

Foto: Maximilian Anelli-Monti

In der Halle des Wiener Hauptbahnhofs ertönt kurdischer Gesang. Der im Iran geborene Musiker Omid Darvish wird bis Freitag zwei Mal täglich auf einer knallroten Skulptur stehen und seine Lieder anstimmen. Wer auf das Objekt steigt und durch dessen kleines Fenster guckt, sieht zunächst nur Spiegelungen, aber dann plötzlich die Augen des Sängers. Das von Michael Baumgartner inszenierte Projekt GoGo! soll Begegnungen zwischen Fremden herbeiführen. Organisiert wurde die Aktion vom Projektraum philomena+, einer Initiative, die den Austausch zwischen Künstlern und Architekten aus Österreich und dem Nahen Osten zum Ziel hat.

Troubadour im Pendlergewusel

Der Troubadour im Pendlergewusel ist aber nur ein Programmpunkt eines dreitägigen Festivals, zu dem die freie Kunstszene einlädt. Bereits 2017 haben hiesige Alternativgalerien die Plattform Independent Space Index gegründet, zu der eine Website und ein monatlicher Stammtischtreff gehören. Nun wird an rund 30 Ausstellungsorten zu Vernissagen, Performances, Konzerten und Barbetrieb geladen.

Jeden Tag ist in einem anderen Offspace-Cluster etwas los. Am Eröffnungsabend (10. 10.) geht es in den vierten und fünften Bezirk, etwa zur Gruppenschau Cartography of Memory bei Pina, die von einer schwedischen Kuratorin mit Positionen aus ihrem Heimatland bespielt wird. Nicht weit entfernt lädt das Magazin anlässlich seiner aktuellen Ausstellung Als die Tiere den Wald verließen zu einer Podiumsdiskussion, bei der ökologische Themen verhandelt werden. Ab 22 Uhr steigt im Celeste die Opening Party.

Wichtige Aufbauarbeit

Wiener Kunsträume wie Gomo, One Mess Gallery oder Pferd waren im Frühjahr schon bei der Junge-Szene-Schau Über das Neue im Belvedere 21 vertreten. Wer den Duft der Bohéme schnuppern möchte, sollte sie aber vor Ort besuchen. Der Shabby Chic ihrer Räume darf nicht täuschen: Die dort eingemieteten Initiativen leisten wichtige Aufbauarbeit, Kuratoren, Galeristen und Sammler gehen dort ein und aus.

Die meisten Offspaces werden von Kunstschaffenden selbst betrieben, aber auch Nachwuchskuratoren nutzen die Gelegenheit, die Wien mit öffentlichen Förderungen und noch verhältnismäßig günstigen Mieten bietet. Vier junge Ausstellungsmacherinnen, die allesamt in Institutionen arbeiten, programmieren seit drei Jahren den Kevin Space. Derzeit läuft dort eine Schau der Londonerin Dominique White, die am Samstagabend Utopien der Schwarzen Diaspora aufleben lässt.

Wettbewerb mit Wodka Red Bull

Neugierig macht das Jörg Haider Gedächtnisrennen, das der Kunstraum ada in der Wattgasse am Freitag veranstaltet. Ein Re-Enactment, also eine Wiederaufführung trifft dort auf eine ASMR-Erfahrung, womit ein durch Klänge ausgelöstes Kopfkribbeln bezeichnet wird. Die Leitfrage des kuriosen Events lautet auf alle Fälle: "Wie viele Meter Strecke mit wie viel Wodka Red Bull schaffst Du?" (Nicole Scheyerer, 9.10.2019)