Was im Restaurant auf den Tisch kommt, ist das eine. Worauf man beim Essen sitzt, das andere. Vier Wiener Gastronomen und Köche erzählen, warum der Stuhl im Gasthaus eine so wichtige Rolle spielt.

Steirereck-Chefin Birgit Reitbauer und ihre fauteuilartigen Restaurantsessel, für die insgesamt sechs Prototypen entwickelt wurden. Auch probegesessen wurde eine ganze Weile.
Foto: Nathan Murrell

Beim Thema Sessel ist entscheidend, dass er nicht nur während des Essens gute Figur macht. Das gilt auch für die Zeit danach, in der man, vielleicht bei einem Digestif oder Kaffee, eine etwas gemütlichere Sitzposition einnimmt. Bei uns verweilen die Gäste bis zu vier Stunden, manchmal auch länger. Wenn man das mit 150 Gästen pro Tag multipliziert, wird klar, dass so ein Stuhl im Vergleich zu einem Möbel im Privatbereich einiges aushalten muss. Privat sitzen wir übrigens die meiste Zeit am Esstisch, und zwar auf Aluminiumstühlen mit Lederbezug. Ursprünglich als Bürostühle gedacht, wurden sie zweckentfremdet. Wir wechseln selten auf die Couch, selbst wenn wir Gäste haben.

Unsere Möbel im Lokal sind auf eine durchschnittliche Körpergröße ausgerichtet. Klar zählen auch kleinere Menschen zu unseren Gästen. Es gibt da zum Beispiel eine sehr kleine Dame, für die wir ein Holzkisterl unter dem Tisch verstecken, damit sie ihre Füße darauf abstellen kann. Sie freut sich jedes Mal darüber. Breit genug muss er natürlich auch sein, der perfekte Stuhl, schließlich passen wir nicht alle ins 90-60-90-Schema.

"Wir suchten zwei Jahre lang nach dem passenden Stuhl."

Fürs Steirereck haben wir zwei Jahre an den fauteuilartigen Sesseln für den großen Raum im Restaurant gearbeitet. Ein Projekt, das wir mit einer Tiroler Möbeltischlerei umgesetzt haben. Wir sind den ganzen Zeitraum über immer wieder auf den Prototypen gesessen, haben uns zum Essen draufgesetzt, darauf gearbeitet oder sind einfach nur dagesessen. Sechs Sesselprototypen sind gebaut worden, bis Höhe, Tiefe, Polsterung und Sonstiges gepasst haben. Es gibt unzählige Fragen an ein solches Objekt, zum Beispiel: Soll man seine Füße unter die Sitzfläche geben können? Auch die Polsterung haben wir mit der Zeit als Wissenschaft wahrgenommen.

Für ein solches Möbel muss man ein Gefühl entwickeln. Das ist wie beim Besteck. Das kauft man auch nicht einfach so. Wir haben unser Besteck aus 200 verschiedenen Kollektionen ausgewählt, was erst nach dem bewussten Benützen all dieser Gabeln, Messer und Löffel möglich wurde. Auch beim Besteck geht es nicht nur um formale Aspekte, sondern vor allem um das richtige Handgefühl.

30 Jahre Haltbarkeit

Neben diesen Sitzmöbeln, die man auch auf dem Foto sieht, gibt's bei uns auch noch schlankere Modelle von Thonet, die für die kleineren Räume, zum Beispiel in den Pavillons, besser geeignet sind. Insgesamt bringen wir es allein im Restaurant auf 250 Sessel. Wenn alles gutgeht, sollten sie abgesehen von Polsterung und Bezug 30 Jahre durchhalten. Ich mag übrigens auch unsere kleinen Handtaschenbänkchen sehr gerne, auf denen Gäste Taschen, Handys, Schlüssel etc. neben dem Stuhl ablegen. Die werden immer wieder, auch von mir für einen kleinen Tratsch, als Sitzgelegenheit für zwischendurch benutzt. Sie wurden, wie große Teile unseres Hauses, vom Architektenkollektiv PPAG entworfen.

Wir legen Wert auf eine Atmosphäre, die für viele verschiedene Gäste zwischen jung und alt passen soll. Das gilt für Stammgäste ebenso wie für Menschen, die sich das Steirereck einmal gönnen, um einen besonderen Anlass bei uns zu feiern. Vom Steirereck wird gern als Gourmettempel geschrieben, das klingt furchtbar, so nach Chichi. Um es mit den Worten unseres Bundespräsidenten zu halten: "So sind wir nicht." Viele sind von der zeitlosen, warmen Architektur überrascht, die weder gespritzt noch gespreizt noch überkandidelt ist.

(Michael Hausenblas, Rondo, 28.10.2019)