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Das Parlament in Rom – der Arbeitsplatz hunderter Ehrenwerter.

Foto: AP/Medichini

Italien leistet sich eines der größten und teuersten Parlamente Europas: Die Abgeordnetenkammer zählt heute 630 Sitze, der Senat 315. Insgesamt beschäftigt das Land also allein auf nationaler Ebene 945 Berufspolitiker. Diese Zahl soll nun auf 600 reduziert werden: Der Abgeordnetenkammer sollen künftig noch 400 "Onorevoli" ("Ehrenwerte") angehören, dem Senat noch 200 Senatorinnen und Senatoren.

Angesichts der stolzen Löhne, die sich die Parlamentarier genehmigen, werden mit der Parlamentsverkleinerung rund 100 Millionen Euro jährlich an Steuergeldern eingespart. Ein Abgeordneter erhält monatlich rund 13.000 Euro, ein Senator 15.000 Euro. Hinzu kommen großzügige Spesenvergütungen.

Sardinendose

Die Schrumpfung des Parlaments ist das identitätsstiftende Anliegen der Fünf-Sterne-Protestbewegung schlechthin: Die als parasitär und korrupt bezeichnete Politikerkaste, der sie als größte Partei nun selbst angehören, war immer das wichtigste Feindbild der "Grillini" gewesen. Der Gründer der Bewegung, der Komiker Beppe Grillo, hatte einst versprochen, "das Parlament wie eine Sardinendose zu öffnen" – dieses Versprechen soll nun eingelöst werden. Die Parlamentsreform ist am Abend in der Abgeordnetenkammer in vierter Lesung mit klarer Mehrheit beschlossen worden.

Nicht nur die Fünf Sterne und ihr sozialdemokratischer Regierungspartner, der Partito Democratico (PD), votierten für die Vorlage, sondern auch die meisten Oppositionsparteien, darunter die Lega, Silvio Berlusconis Forza Italia sowie die postfaschistischen Fratelli d'Italia.

Geschmälerte Chancen

So richtig begeistert ist allerdings kaum einer der Parlamentarier: Die Reduktion der Sitzzahl schmälert zwangsläufig die Chancen auf eine Wiederwahl, die das übergeordnete Ziel fast aller Abgeordneten und Senatoren darstellt. Die Angst vor dem Verlust des existenzsichernden Parlamentssessels kennt keine Parteigrenzen. Nur gibt das natürlich niemand öffentlich zu: In Zeiten des Populismus und des Grolls gegen "die da oben" ist die Dezimierung des aufgeblähten Parlaments auch in der Bevölkerung überaus populär.

Die Reform ist in erster Linie eine Konzession an den Zeitgeist, auch seitens des PD: In den ersten drei Lesungen hatten die Sozialdemokraten noch für Nein gestimmt. Der Sinneswandel im PD ist nur deshalb erfolgt, weil die Fünf-Sterne-Bewegung die Parlamentsverkleinerung zur Bedingung für die neue Regierungskoalition gemacht hatte.

Neues Wahlgesetz

Kritiker werfen den Autoren der Vorlage vor, eine "halbe Reform" geschaffen zu haben. Denn nach der Verkleinerung des Parlaments müssen zwangsläufig die Wahlkreise neu definiert und das ganze Wahlsystem angepasst werden. Davon ist derzeit noch nichts zu sehen. Die Regierungsparteien haben sich immerhin verpflichtet, bis Ende Dezember ein neues Wahlgesetz vorzulegen, mit dem "der politische und territoriale Pluralismus sowie die Gleichstellung der Geschlechter gestärkt werden soll", wie es in einer Erklärung heißt.

Die Ausarbeitung eines neuen Wahlgesetzes erfordert in Italien aber erfahrungsgemäß viel Zeit und Geduld. Damit wird die Verkleinerung des Parlaments automatisch zu einer Art Lebensversicherung für die seit einem Monat amtierende, wackelige zweite Regierung von Giuseppe Conte: Mit dem alten Wahlgesetz würde man im Fall eines Regierungssturzes nicht mehr wählen können – und bis ein neues beschlossen ist, wird es wohl bis zum Ende der Legislaturperiode im Jahr 2023 dauern. (Dominik Straub aus Rom, 8.10.2019)