Kein Kämpfer, aber ein Tänzer, der seine Wirksamkeit genießt: Joaquin Phoenix in "Joker".

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Zum Lachen gibt es eigentlich herzlich wenig. In Gotham City quillt der Müll über, es fehlt an Geld, die Infrastruktur wird immer schmäler. Die Medien berichten von Superratten, die nur mit Superkatzen zu bekämpfen wären. Letzteres ist ein Witz. Einer, der bei solchen Pointen besonders schrill, ja künstlich lacht, ist Arthur Fleck. Der Mann arbeitet selbst als Clown, und wenn man sagt, dass sein Timing ein wenig "off" ist, dann ist das noch eine Untertreibung. Doch Fleck lacht, weil er lachen muss. Und zwar beinahe so lange, bis es ihn reckt. Dabei handelt es sich um ein Leiden. Manchmal zeigt er sein Kärtchen her, das dies erklärt.

Joker erzählt die Geschichte dieses Mannes, den man als Comicfigur aus dem Hause DC, als einen der schillerndsten Gegenspieler von Batman nicht lange vorstellen muss. Allerdings ist Todd Phillips' Film die gezielt lancierte Antithese zur gemeinen Comicadaption, ein Einmalabenteuer abseits der Serienlogik: Schon den Antihelden im Film mit dem Vorsitz zu betrauen ist ein kleiner Tabubruch. Der Film spielt Anfang der 1980er-Jahre: Bruce Wayne ist noch ein kleiner Junge, sein Vater Thomas (Brett Cullen), ein Unternehmer von altem Schrot, schickt sich gerade an, die Stadt politisch unter seine Kontrolle zu bringen.

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Als Charakterstudie eines "loners", eines Einzelgängers, dem das Leben übel mitspielt, sucht Joker die Perspektive von unten. Es geht um einen, der so viel Schläge kassiert, bis die finstere Seite in ihm das anständige, zivilisierte Ich als Schimäre entlarvt. Eine im Grunde einfache, aus comichaft klargeschliffenen Kontrasten gebaute Geschichte, die Phillips visuell und motivisch mit New-Hollywood-Filmen aus New York in Beziehung setzt. Scorsese-Filme wie Taxi Driver oder The King of Comedy, auch raue Verzweiflungsthriller wie Dog Day Afternoon sind die Vorbilder, bei denen er sich die künstliche Patina, auch seine Tiefe leiht.

Die Faszination des Films hat aber vor allem mit Joaquín Phoenix zu tun, dessen Verwandlung von Arthur Fleck in den Joker sehr fließend erfolgt. Zum einen ist dieser Kerl ja nur einer von vielen: ein oftmals Gedemütigter, von seinen Ängsten verfolgter Mann, der den etwas lächerlichen Traum hegt, als erfolgreicher Komiker zu reüssieren. Die Szene, in der er vor Publikum zwanghaft lacht, noch bevor er einen Ton herausbringt? Nicht gerade karrierefördernd. Und beklemmend. Sie wird dann auch in einer Late-Night-Show (Robert De Niro spielt den Host) weidlich ausgeschlachtet.

Verwandlung vom erfolglosen Komiker in einen durchgeknallten Clown: Joaquín Phoenix trägt in der Titelrolle des Joker die Maske auf.

Der Freak ist in Phoenix' bewusst manieriert gehaltener Darstellung von Anfang an wie ein zweites Gesicht präsent. Der Ausnahmeschauspieler hat bekanntermaßen ein Faible für leicht zerbrechlichen Figuren. Und wie ernst er die Vorbereitung diesmal nahm, das zeigen schon die mehr als zwanzig Kilo, die er dafür abgespeckt hat. Seine knöcherne Erscheinung verleiht der Figur eine kreatürliche Qualität, die jedoch immer wieder poetisch abgefedert wird. Sobald Fleck die Gewalt für sich entdeckt, wandelt er sich zum Nihilisten: das Leben als Komödie zu betrachten, welch eine Befreiung! Der Joker ist aber kein Kämpfer. Er ist nur eine Antwort auf Qualen. In Zeitlupenbewegungen tanzt er still vor sich hin und genießt seine Wirksamkeit.

Nervosität vor Filmstart

Dass der Film nach seiner Auszeichnung mit dem Goldenen Löwen in Venedig in den USA kontroversieller diskutiert werden würde, war gewiss. Zu nah ist dort die Erinnerung an den Amoklauf eines Mannes mit Joker-Bezug 2012 in einem Kino, wo Christopher Nolans The Dark Knight Rises lief. Dennoch überrascht, mit welcher Nervosität selbst einzelne Filmkritiker nun vor dem Filmstart von dem möglichen Identifikationspotenzial eines zornigen Mannes für Nachahmungstäter schrieben. Da scheint es in einem Land, wo man Feuerwaffen im Internet bestellen kann, drängendere Probleme zu geben.

Bei den Filmfestspielen von Venedig wurde der "Joker" mit dem "Goldenen Löwen" ausgezeichnet und als Meisterwerk gefeiert.
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Genährt wird diese Debatte auch dadurch, dass Phillips im Film den privaten Feldzug des Jokers mit einem Aufstand des Prekariats auf den Straßen von Gotham City in Verbindung setzt. Eine der cleversten Szenen bringt diese Analogie auf den Punkt. In einem Subway-Zug geht der wahre Joker im Meer von Nachahmern mit Clownmaske verloren. Wenn diese später mit Schildern wie "Kill the Rich" randalieren, bezieht der Film auch das gegenwärtige Gefälle zwischen den 0,1 Prozent und dem Rest mit ein.

Schon Nolans The Dark Knight Rises arbeitete mit Verweisen auf die Occupy-Bewegung. Wenn dies nun mehr Nachhall erzeugt, hat das mit dem geschärften Bewusstsein der "Woke-Culture" in Hollywood zu tun, der sich der Film in seiner Ernsthaftigkeit ja selbst verdankt. Dazu kommt die seltsame Verschiebung, dass man dem Joker seine Menschlichkeit zum Vorwurf macht. Dabei verhält es sich doch genau umgekehrt: Dass Joker trotz mancher Ausdrücklichkeiten nicht die Bodenhaftung behält, ist seine Stärke. Zum Lachen gibt es eben wenig. (Domink Kamalzadeh, 9.10.2019)