Krankhafte oder wahnhafte Eifersucht können Auslöser für Gewalttaten sein. Betroffene sollten sich Hilfe holen.

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Innsbruck – Am Dienstag gab die Polizei erste Ergebnisse der Obduktionen der fünf Opfer aus Kitzbühel bekannt. Demnach wurden die 19-jährige Exfreundin des mutmaßlichen Täters, deren Familie und ihr neuer Freund durch Schüsse "aus sehr kurzer Distanz" getötet. Neben der Feuerwaffe führte der Beschuldigte auch ein Messer sowie einen Baseballschläger mit sich, die er jedoch nicht für die Tat verwendet hat.

Nach dem Fünffachmord in Kitzbühel zeigt sich in der Stadt eine Welle der Hilfsbereitschaft. Zahlreiche Betroffene haben zudem die angebotene psychologische Hilfe akzeptiert.
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Der mutmaßliche Täter, ein 25-jähriger Kitzbüheler, sitzt derzeit in der Justizanstalt Innsbruck in Untersuchungshaft, wo er aufgrund von Suizidgefahr unter permanenter Überwachung steht.

Das Motiv hinter der Gewalttat vermuten die Ermittler "im Bereich einer Zurückweisung nach Beendigung einer Beziehung". Das 19-jährige Opfer war bis vor zwei Monaten offenbar mit dem Beschuldigten liiert. In der Nacht vor der Tat kam es zu einem Zusammentreffen der beiden in einem Kitzbüheler Lokal. Was genau danach passiert ist, steht nun im Zentrum der polizeilichen Ermittlungen.

Eifersucht kann Motiv sein

Die Berichterstattung zum Fall wird indes viel diskutiert. Denn immer wieder taucht darin Eifersucht als möglicher Grund oder Auslöser der Tötungsdelikte auf. An der Universitätsklinik Innsbruck leitet Harald Oberbauer die österreichweit einzige "Eifersuchtssprechstunde". Der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapeut gilt als anerkannter Experte auf dem Gebiet des Zwischenmenschlichen. Im Gespräch mit dem STANDARD bestätigt er, dass Eifersucht tatsächlich das Motiv für eine Gewalttat sein kann.

Allerdings ist sie grundsätzlich etwas "ganz Normales", sie gehöre sogar zur "biologischen Grundausstattung jedes Menschen". Niemand müsse sich wegen eifersüchtiger Gefühle schuldig fühlen, stellt der Experte klar. Bedenklich oder krankhaft werde Eifersucht erst, wenn sie die eigene Lebensqualität oder die des Partners beeinträchtige: "Also wenn ich selbst an nichts anderes mehr denken kann, mich ständiges Misstrauen gegenüber dem Partner plagt. Oder wenn sich Partner ständig rechtfertigen müssen und man ihnen unterstellt, die Unwahrheit zu sagen."

Krankhafte Eifersucht beruhe stets auf einer Basisstörung, erklärt Oberbauer. Die kann vielfältig sein – Depressionen, chronische Sucht oder auch körperliche Störungen. Für die Behandlung ist es wichtig, sie zu erkennen. Unterschieden werden drei Ebenen: die normale oder gesunde Eifersucht, die sogar beziehungsfördernd sein kann; die krankhafte oder pathologische Eifersucht, wie beschrieben; und schließlich der Eifersuchtswahn – wenn eine unkorrigierbare, subjektive Gewissheit vorliegt, die nur noch medikamentös behandelt werden kann.

"Maligner Gefühlscocktail"

Ohne auf den Fall Kitzbühel konkret Bezug zu nehmen, erklärt Oberbauer, dass es nach einer Trennung zu einem "malignen Gefühlscocktail" kommen könne, in dem womöglich Eifersucht neben gekränkter Eitelkeit und Verlustängsten eine Rolle spiele.

"Eifersucht betrifft alle Menschen, von einfach gestrickten bis zu hochintelligenten, egal welchen Alters und welcher sozialen Herkunft", erklärt der Psychiater. Allerdings würden Männer ihre Gefühle eher nach außen kehren, im Extremfall auch in Form von Gewalt. Frauen hingegen tendierten mehr dazu, ihre Eifersucht zu internalisieren. Sie suchten die Schuld dafür bei sich, weshalb oft eine Depression die Folge sei. (Steffen Arora, 8.10.2019)