Der Senat unter Vorsitz von Vizepräsident Christoph Grabenwarter (Mitte) hat sich zwei Tage für öffentliche Verhandlungen vorgenommen, um die Reform zu beurteilen.

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Wien – Es ist wohl das größte Reformvorhaben der türkis-blauen Regierung: die Neuorganisation der Sozialversicherung. Von der Kassenfusion sind 7,2 Millionen Versicherte betroffen, mit der neuen Österreichischen Gesundheitskasse (ÖGK) entsteht eine Institution, die mehr Beschäftigte hat als die österreichische OMV.

Mit 1. Jänner 2020 tritt die Reform in Kraft, Kritik daran gab es nicht nur von politischen Gegnern, sondern auch vom Rechnungshof. Seit Dienstagfrüh unterläuft das Großprojekt quasi seinen juristischen Elchtest: Insgesamt 14 Beschwerdeführer – vor allem Kassen und Arbeiterkammern (AK), aber auch die SPÖ-Bundesräte – haben sich an den Verfassungsgerichtshof (VfGH) gewandt, um die Verfassungswidrigkeit des Projekts zu argumentieren. Schließt sich der Gerichtshof dem an, ist vieles möglich: von einzelnen, kleinen Reparaturaufträgen an die Regierung bis zum Scheitern der gesamten Reform.

Unklares Einsparungsziel

Am ersten Verhandlungstag argumentierten die Antragsteller, warum nicht nur Details, sondern schon die Kassenfusion per se rechtswidrig sei. Sie widerspreche dem verfassungsmäßigen Effizienzprinzip, da die Kosten der Fusion höher seien als die Einsparungen. Die Regierungsvertreter bestritten dies, allerdings konnte die Vertreterin des Sozialministeriums nicht erklären, warum man die Synergieeffekte in der Regierungsvorlage zehnmal höher beziffert hatte als im Ministerialentwurf. Was denn die Grundlage für diese Einschätzung war, hakte Verfassungsrichter Johannes Schnizer nach. "Wir haben dazu keine aktenmäßigen Vorgänge", erklärte die Beamtin lapidar.

AK-Direktor Christoph Klein sah in der Reform einen Kniefall vor der Wirtschaft. Dass in den Leitungsgremien der Sozialversicherung die Unternehmen künftig deutlich mehr mitzureden haben als bisher, führe zu einer Art "Befangenheitssituation": In der Kasse sollten sie Kosten dämpfen, im Betrieb dafür kämpfen, bei den Kassen möglichst hohe Preise zu erzielen – zulasten des ÖGK-Budgets und aller Versicherter. Die Verhandlung wurde vertagt, sie wird am Mittwoch fortgesetzt. (Maria Sterkl, 9.10.2019)