Wallner lässt die Koalitionsfrage offen, Rauch will wieder mitregieren. Ob er mehr als den kleinen Finger bekommt, ist fraglich.

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Der Stimmzettel für die Vorarlberger Landtagswahl hat Handtuchgröße. Er wurde zum genauen Studium bereits eine Woche vor der Wahl zugestellt. Noch nie war die Zahl der wahlwerbenden Gruppen so groß. Elf Listen treten landesweit an, eine, die Liste Gilt, nur im Bezirk Feldkirch. 36 Landtagsmandate gilt es zu verteilen.

Landeshauptmann Markus Wallner will bescheiden ein Ergebnis "über 40 Prozent". Er könnte aber durchaus knapp an die 2014 verlorene Absolute herankommen oder sie wieder erreichen. Die wird nämlich durch die Vielzahl der Mitbewerber billiger, sagt die Politologin Kathrin Stainer-Hämmerle.

Denn die neuen Kleinparteien könnten für einige Prozent an verlorenen Stimmen sorgen, was dank Wahlarithmetik der stärksten Partei zugutekommt. Wallner will freilich von der Absoluten nicht reden. Er feuert die Seinen an: "In der letzten Woche müssen wir in jedem Haushalt dieses Landes präsent sein, es geht um jede Stimme." Anders argumentiert sein Regierungspartner. Die Grünen mobilisieren ihre Leute: "Eine Absolute der ÖVP droht."

Wallner wird, obwohl er sich immer wieder von der türkis-blauen Bundespolitik distanziert hat, vom Erfolg Sebastian Kurz' bei der Nationalratswahl profitieren, sagt Kathrin Stainer-Hämmerle. Und: "Ein Teil der Freiheitlichen könnte zur Volkspartei wandern."

Bei der Nationalratswahl fiel auf, dass die Vorarlberger Volkspartei nur wenig, knapp zwei Prozentpunkte, dazugewonnen hat. Für Stainer-Hämmerle ein Zeichen, dass man "eher schwarz als türkis ist". Dennoch werde den erwartbaren Erfolg der Vorarlberger auch Sebastian Kurz für sich verbuchen.

Die Hürdenläufer

Die Hürde für Kleinparteien ist mit fünf Prozent bei der Landtagswahl höher als bei der Nationalratswahl. Dennoch treten immer wieder neue Listen an. Am Sonntag sind das der Wandel, eine neue Linksgruppierung, Xi, eine weitere Mitte-Partei, und Heimat aller Kulturen, eine Liste türkischstämmiger Vorarlberger, die dem rechten Spektrum zugerechnet wird.

Die anderen Kleinparteien kommen aus dem christlich-fundamentalistischen Lager und nehmen die Landtagswahl zum Anlass, ihre Themen unter das Wahlvolk zu bringen.

Die Vielzahl an wahlwerbenden Gruppen ist ein Vorarlberger Spezifikum, sagt Stainer-Hämmerle. Man könne sich das einerseits mit der Mentalität der Menschen und andererseits mit der Überschaubarkeit des Landes erklären. Vorarlbergerinnen und Vorarlberger hätten durch die Nähe zur Schweiz, wo direkte Demokratie gelebt wird, eher Interesse an politischer Teilhabe, vermutet Stainer-Hämmerle. Zudem neige man in Vorarlberg zum Selbermachen. "Man wartet nicht, bis eine Partei etwas für einen tut, wird lieber selber aktiv."

Weil das Land so klein ist, könne man auch viel leichter seine Ideen unter die Menschen bringen. In großen Bundesländern hätten es neue Parteien ungleich schwieriger.

Protest aus der Mitte

Interessant wird, ob sich bei der Wahl die vor einem Jahr gestartete Protestbewegung "Uns reicht's" auswirken wird. Die Bewegung, brachte seit November des Vorjahres an Sonntagen insgesamt an die 20.000 Menschen auf die Straße. Demonstriert wurde und wird für ein menschlicheres Asyl- und Fremdenrecht. Die Bewegung steht für das in Vorarlberg sehr starke zivilgesellschaftliche Engagement. Stainer-Hämmerle: "Diese Menschen, oft Caritas-Fraktion genannt, sind politisch heimatlos geworden."

Jüngste Umfragen zeigen den Trend: VP, SPÖ und Neos wird ein Zugewinn von je drei Prozentpunkten prognostiziert, den Grünen ein Verlust von drei Prozentpunkten und den Freiheitlichen eine Talfahrt von 23 auf 17 Prozent. Zweitstärkste Partei würden sie auch bei diesem Ergebnis bleiben.

Markus Wallner müsste beim prognostizierten Ergebnis von 44 Prozent wieder auf Partnersuche gehen. Auswahl hätte er: Die Grünen stehen für eine zweite Periode zur Verfügung, die SPÖ würde gerne das Sozialressort übernehmen, die Neos haben bereits Koalitionsbedingungen gestellt. Nur die FPÖ will in der Opposition bleiben.

Kommenden Sonntag sind 270.437 Vorarlbergerinnen und Vorarlberger wahlberechtigt. Bei der Nationalratswahl machten 68 Prozent von ihrem Wahlrecht Gebrauch. (Jutta Berger, 9.10.2019)