In jüngerer Vergangenheit hatten die Schlagzeilen über Andy Rubin nur begrenzt mit Technik zu tun. Wurde doch offenbar, dass der Android-Gründer Google vor einigen Jahren nicht freiwillig verlassen hat, sondern nach Vorwürfen des sexuellen Fehlverhaltens zu seinem Abgang gezwungen wurde. So soll er eine Art Sexring mit mindestens fünf Frauen betrieben haben, die er quasi als seine Eigentum behandelt und an andere Männer "verliehen" hat – ihm wird also Zuhälterei vorgeworfen.

Dass er bei seinem Rauswurf trotzdem eine Abfertigung im hohen zweistelligen Millionenbereich erhalten haben soll, sorgte für einige Aufregung unter Google-Angestellten, die diesen – und andere ähnlich gelagerte Fälle – zum Anlass nahmen, um mit Protestaktionen eine Veränderung der Firmen-Policy in einigen Punkten durchzusetzen. Rubin selbst setzte nach einem kurzen Dementi bald auf eine ganz andere Strategie: Schweigen. Ein Jahr später meldet er sich zurück, und zwar so als wäre nichts gewesen: Mit dem Teaser für ein neues Smartphone.

Gem

Über seinen Twitter-Kanal hat Andy Rubin erste Fotos für das nächste Gerät seiner aktuellen Firma Essential veröffentlicht – "Project Gem". Und dieses weiß sich von anderen aktuellen Smartphones schon auf den ersten Blick abzuheben. Hat sich Essential doch für einen "radikal anderen Formfaktor" entschieden, wie man es selbst nennt. Das sehr schmale und längliche Design erinnert eher an klassische Mobiltelefone denn an ein modernes Smartphone.

Die Rückseite ist in metallischen Farben gehalten, die je nach Blickwinkel ihren Look verändern – ähnlich wie es bei einigen aktuellen Smartphones von Huawei und Samsung der Fall ist. Auch ein Fingerprint-Reader ist auf den Fotos zu erkennen. An der Vorderseite gibt es eine Frontkamera, die mit einem "Punchhole"-Ausschnitt vom restlichen User Interface umgeben ist. An der Seite sind ebenfalls mehrere Knöpfe zu sehen, in diesem Fall wohl zur Lautstärkeregelung und zum Einschalten des Geräts.

Software

Gleichzeitig wirft der Teaser viele Fragen in Hinblick auf die Software auf. Unterscheidet sich das Oberflächendesign doch deutlich von dem, was man von aktuellen Android- und iOS-Geräten kennt. Es gibt eine App-Übersicht zu sehen, bei der mehrere Programme untereinander als Vorschau positioniert sind – darunter auch eine App für den Fahrtendienst Uber. Gleichzeitig wird auch eine Karten-App vorgezeigt, die aber offenbar nicht Google Maps ist. All das legt nahe, dass Essential für sein neues Smartphone nicht länger auf Android – oder zumindest auf kein offiziell lizenziertes Android – setzt. In früheren Berichten, war von einer Nutzung von Android 10 auf Basis eine Qualcomm Snapdragon 730 die Rede, allerdings könnte sich diese Information auch auf einen anderen Prototypen bezogen haben. In dieser Hinsicht wird man also wohl noch weitere Details abwarten müssen.

Vorgeschichte

Das erste Smartphone von Essential, das PH-1, wurde Mitte 2017 vorgestellt. Schon damals versuchte sich das Unternehmen über Design von der Konkurrenz abzusetzen, das PH-1 war das erste Mainstream-Smartphone mit einem "Notch", also einem Display-Ausschnitt an der Oberseite. Während Tester durchaus positive Berichte über das PH-1 lieferten, fiel das Gerät bei den Konsumenten praktisch komplett durch. Schon bald nach der Vorstellung musste der Hersteller den Preis mehrfach stark reduzieren, um die produzierten Geräte absetzen zu können. In jüngerer Vergangenheit hat sich Essential vor allem für seinen Software-Support einen guten Namen gemacht. So konnte das Unternehmen die Updates auf Android 9 und 10 für das PH-1 jeweils am gleichen Tag wie Google liefern.

Ausblick

Bei Essential betont man, dass sich das Gem noch in einer frühen Testphase befindet, vor 2020 wird es also wohl kaum auf den Markt kommen. Offenbar will man auf diesem Weg frühes Feedback einfangen, um zu sehen, wie groß das Interesse an einem solchen Gerät ist. Gleichzeitig bleibt auch abzuwarten, wie Rubin bei seiner Rückkehr mit den vielen unbeantworteten Fragen zu den erhobenen Vorwürfen umgehen wird. Aktuell scheint er sich darauf verlegt zu haben, Kritiker auf Twitter einfach zu blockieren. Bei den gewohnten Presseveranstaltungen rund um die Vorstellung eines neuen Smartphones, wird es dann aber kaum so einfach sein, diesen Fragen zu entgehen. So besteht für Essential auch die Gefahr, dass das neue Gerät in der Diskussion über das Verhalten seines Gründers untergeht. (apo, 9.10.2019)