Anlass für den Appell des Presserats für verantwortungsvolle Berichterstattung über Gewalt gegen Frauen: Der fünffache Mord in Kitzbühel.

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Der Presserat nimmt die Berichterstattung über den fünffachen Mord in Kitzbühel zum Anlass für einen Appell an die Medien, "besonders sensibel" und verantwortungsvoll über Gewalt gegen Frauen zu berichten. Der Senat 1 des Presserats fordert die Medien auf, "mit mehr Achtsamkeit und Sensibilität über Gewaltverbrechen an Frauen zu berichten und auf den Persönlichkeitsschutz der Opfer zu achten". Sie sollten in Artikeln dazu auf Hilfseinrichtungen für Frauen hinweisen, etwa die Frauenhelpline unter 0800/222555.

41 von 73 Mordopfern 2018 waren Frauen

Der Senat 1 des Presserats beschäftigt sich nach eigenen Angaben regelmäßig mit Artikeln zu Gewalt gegen Frauen, in denen Gewalttaten bis hin zu Mord verharmlosend dargestellt werden. Von den 73 Mordopfern im Jahr 2018 waren 41 weiblich.

Der Senat 1 des Presserats ersucht die Medien:

Würde der Opfer: Bei Berichten über konkrete Gewaltverbrechen ist stets auf die Würde der Opfer zu achten. Das Leid, das die betroffenen Frauen und ihre Angehörigen erfahren, darf durch die Berichterstattung nicht vergrößert werden, etwa durch die Bekanntgabe grausamer oder intimer Details oder die Veröffentlichung von Fotos ohne Genehmigung (siehe Punkt 5.4 des Ehrenkodex für die österreichische Presse).

Drama, Sex, Eifersucht – verharmlosende Sprache: Zudem ersucht der Senat, bestimmte in der Berichterstattung verbreitete Bezeichnungen wie "Ehe-, Beziehungs- oder Familiendrama", "Eifersuchtsmord" oder "erweiterter Suizid" kritisch zu hinterfragen. Derartige Bezeichnungen sind nach Auffassung des Senats geeignet, die erlittene Gewalt zu verharmlosen. Auch dadurch wird das Leid der Opfer und Angehörigen vermehrt. Im Zusammenhang mit Gewalttaten sollte auch der Begriff "Sex" nicht verwendet werden, da dieser eine erotische und einvernehmliche Komponente aufweist. Eine Vergewaltigung ist keine "Sextat". Der Senat empfiehlt stattdessen den neutralen Begriff Sexualverbrechen.

Perspektive des Opfers: Medien sollten sich darüber hinaus nicht einseitig auf die Perspektive des Täters oder dessen Anwalts konzentrieren. Eine ausgewogene Berichterstattung erfordert es, der Perspektive des Opfers ausreichend Raum zu geben, etwa durch Einholen von Statements der Angehörigen oder Opferschutzeinrichtungen. Falls das Opfer oder die Angehörigen keine Stellungnahme abgeben wollen, ist dies (auch laut Ehrenkodex der Presse) zu respektieren.

Täter-Opfer-Umkehr: In manchen Fällen kommt es auch zu einer Täter-Opfer-Umkehr beziehungsweise zu einer ungerechtfertigten Entlastung des Täters. Dazu die folgenden Beispiele: "Sie wurde ermordet, weil sie ihm die Kinder vorenthielt; weil sie zur letzten Aussprache nicht bereit war; weil sie einen neuen Freund hatte."

"Missglückter Flirt": Besonderes Negativbeispiel in "Heute" (Korrektur*)

Der Senat weist auf "ein besonderes Negativbeispiel" aus dem Herbst 2018 hin, ohne das Medium zu nennen: "Heute" (Korrektur*) berichtete online über einen Gewalttäter, der einen Monat lang Frauen verfolgte, um diese anzusprechen. Er habe sich dabei denkbar "ungeschickt" angestellt und letztendlich "aus Frust" auf eine Frau mit einer Eisenstange eingeprügelt. Die Gewalttat wurde als "missglückter Flirt" betitelt, wenngleich die Überschrift vom betreffenden Medium später geändert wurde.

Der Senat betont, dass sexuelle Belästigung und schwere Körperverletzung nichts mit "Flirten" zu tun haben, sondern mit Gewalt und Machtausübung. (red, 9.10.2019)