Sie stürmten mit Megafonen in Hörsäle und Mensen. Dabei sammelten sie rund 2000 Unterschriften, um eine Vollversammlung einzuberufen, und solidarisierten sich mit Fridays for Future (FFF). Die Studenten Pascal Kraft und Maximilian Hierhammer engagieren sich bei HU for Future, der lokalen Hochschulgruppe von Fridays for Future an der Humboldt-Universität (HU) Berlin und erinnern sich gut daran, wie Anfang Mai alles begann.

Nach dem Besuch bei FFF Berlin im März hatten sie und andere HU-Studierende beschlossen, den Protest mit einer eigenen Gruppe an ihre Uni zu bringen. Schnell fanden sich dutzende Interessierte in Whatsapp-Gruppen und bei wöchentlichen Treffen zusammen. Mit eigenen Bannern nahmen HU-for-Future-Anhänger fortan an den Freitagsdemos teil, für die sie an ihrer Hochschule mobilisierten.

Nach dem Besuch bei Fridays for Future Berlin gründete sich eine Gruppe an der Humboldt-Universität der deutschen Hauptstadt.
Foto: APA/AFP/JOHN MACDOUGALL

Die Herausforderung dabei: das Schulstreikformat in den Uni-Kontext zu übersetzen. "Im Unterschied zur Schule ist es hier ja egal, wenn Studierende nicht zur Vorlesung kommen, ich gehe freitags ohnehin nie zur Uni", sagt Kraft: "Druck mussten wir also durch Mobilisierung für unsere Forderungen erzeugen."

Und wie geht das an der Uni besser als mit einer Vollversammlung? Am 21. Mai kamen rund 700 Teilnehmer und beschlossen das Forderungspapier der HU. Das sei wichtig gewesen, um den Forderungen deutlich mehr Gewicht zu verleihen: "Wir sind nur eine informell organisierte Gruppe, keine gewählten Mandatsträger."

Klimaneutrale Uni

Mitte Juni legten die Aktivisten dem Akademischen Senat dann ein Papier mit sieben Forderungen vor. Ihr zentrales Anliegen: Die Uni soll bis 2022 klimaneutral werden, wozu mit den Studierenden eine Strategie entwickelt und halbjährlich über deren Umsetzung berichtet werden soll. Zudem soll die HU nach dem Vorbild anderer Unis Klima- und Umweltanliegen mit einem Kompetenzzentrum für Nachhaltigkeit institutionell verankern. Weitere Forderungen sind die Umstellung auf vegane, regionale und biologische Kost in Mensen und kostenloser öffentlicher Verkehr für Studierende in Berlin.

Der Weg hatte Erfolg: Der Unisenat solidarisierte sich mit FFF und richtete eine Arbeitsgruppe zur Erörterung des weiteren Vorgehens ein, in der auch Aktivisten vertreten sein werden. FFF-Gruppen an der Technischen Uni, der Freien Uni Berlin sowie zahlreichen weiteren Hochschulen in ganz Deutschland hätten sich daran ein Beispiel genommen, sagt Kraft: "Unser Modell hat Schule gemacht, das macht uns stolz."

Dass Universitäten ungleich weniger CO2 als Verkehr oder Industrie verursachen und ihr Engagement darum in anderen Bereichen viel wirkungsvoller wäre, lassen die Berliner Aktivisten als Gegenargument nicht gelten. "Gerade das ist eines der zentralen Probleme bei Klima- und Umweltschutz", sagt Kraft. "Jeder zeigt mit dem Finger auf den anderen, der noch mehr emittiert, die Kreuzfahrt- auf die Transportschiffe, der Verkehr auf die Industrie, Deutschland auf China und die USA. Wird so gedacht, fühlt sich niemand zuständig, und am Ende passiert nichts." Um Klimaneutralität zu erreichen, sei Engagement überall gefragt, im Großen wie im Kleinen.

Beim Earth Strike Ende September demonstrierten österreichweit so viele wie noch nie fürs Klima.
Foto: Christian Fischer

An Unis könne es dabei sogar besonders wirkungsvoll sein, seien Hochschulen doch "Leuchttürme" mit Strahlkraft für die ganze Gesellschaft, findet Hierhammer. "Wenn wir unsere Unis dazu bringen, sich als Vorreiter für Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu engagieren, können wir damit auch andere in die Pflicht nehmen. Wenn Unis Dienstreisen mit dem Flugzeug einschränken und Solarpaneele auf den Dächern ihrer Gebäude anbringen, warum dann nicht auch Ämter und Behörden?"

Im Gegensatz zu Deutschland gibt es in Österreich noch kaum Hochschulgruppen. Das soll sich nun ändern: Die Freitagsdemo am 11. Oktober soll stärker auf Studierende zugeschnitten werden, womit ein Auftakt zu einer größeren Mobilisierung an Unis erfolgen soll. Dazu wollen die Aktivisten durch die Hörsäle ziehen und arbeiten eng mit der Österreichischen Hochschüler_innenschaft zusammen, insbesondere mit dem Referat für Nachhaltigkeit. Eine der wenigen Gruppen, die es schon gibt, hat sich im März an der Uni für Bodenkultur (Boku) in Wien gegründet: "Boku 4 Future". Die Studentin Ariane Weifner ist Teil der Gruppe, die zusammen mit FFF Wien im Mai eine Podiumsdiskussion zur Rolle der Uni in der Klimakrise organisiert hat.

Projekte in Österreich

Auch an der Uni Wien verlangen Aktivisten mehr Engagement für Klima und Umwelt. Adrian Hiss, der dort studiert und sich bei FFF engagiert, erzählt, dass der Uni Wien am 1. August ein Papier mit 14 Forderungen übergeben wurde: Bis 2030 soll die Uni klimaneutral in den Bereichen Energie, Mobilität, Materialeinsatz und Verpflegung sein. Eine Ansprechperson in der Nähe des Rektorats soll geschaffen werden, die einen Zeitplan für die Umsetzung der nötigen Maßnahmen erstellt und alle sechs Monate über deren Umsetzung berichtet.

Unter anderem sollten Flugreisen zu Tagungen eingeschränkt und vermehrt Telefon- und Videokonferenzen genutzt werden. Die Uni soll ihr Geld bis 2023 aus klimaschädlichen Veranlagungen abziehen und mit Bedacht auf ökologische Nachhaltigkeit investieren, fordern die Aktivisten. Zudem soll die Klima- und Ökologiekrise einen hohen Stellenwert in Lehre und Forschung haben.

Foto: Christian Fischer

Die gleichen Forderungen ergingen im September an die Universität für angewandte Kunst – wo sie auf fruchtbaren Boden stießen. Die Angewandte will "University for Future" werden und zeigt sich "solidarisch und voller Hochachtung" für FFF. Zahlreiche Forderungen wurden übernommen. Wie die Uni beim Earth Strike verkündete, will sie etwa bis 2030 klimaneutral werden.

Hiss ist erfreut, wie positiv viele Unis auf die Anliegen von FFF reagieren. Dennoch: Viele würden "ihrem Auftrag noch nicht gerecht, ihre Studierenden und die Gesellschaft adäquat auf die Zukunft vorzubereiten". Dazu müsse der Klimawandel in der Lehre über alle Fächer hinweg thematisiert werden. Auch in den Geistes- und Sozialwissenschaften sei der ökologische Wandel eine gesellschaftlich-kulturelle Aufgabe. (Miguel de la Riva, 11.10.2019)