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Die österreichische Wolfspopulation hat Miniaturformat und sorgt doch laufend für Debatten.
Foto: AP Photo/Wolf Conservation Center, Rebecca Bose

Salzburg/Bez. St. Johann im Pongau/Wien – Wie viele wildlebende Wölfe es in Österreich gibt, kann niemand genau sagen. Die Gesamtpopulation dürfte sich im niedrigen zweistelligen Bereich bewegen – im vergangenen Jahr schätzte der WWF die Zahl auf 20 bis 25 Tiere. Exemplare, die aus Nachbarländern kommen und vorübergehend durchs Bundesgebiet wandern, sind noch schwerer zu erfassen als ansässige Rudel.

Selbst bei großzügiger Schätzung ist der Wolf hierzulande aber weit davon entfernt, eine Plage zu sein. Nichtsdestotrotz sorgt er seit Jahren für Kontroversen. Die gehen nun in eine weitere Runde, nachdem sich Wildtierbiologe Klaus Hackländer von der Universität für Bodenkultur Wien für ein Wolfs-Management ausgesprochen hat, das auch die Entnahme – also den Abschuss – von "echten Problemwölfen" umfassen soll. Die Reaktionen fielen erwartungsgemäß gemischt aus.

Hintergrund

20 bis 25 Schafe und zwei Jungrinder fielen heuer im Salzburger Pongau nachweislich einem Wolf zum Opfer. Mehr als 20 Weidetiere gelten als vermisst. Deshalb haben Almbauern bei der zuständigen Bezirkshauptmannschaft einen Antrag auf "Entnahme" des Wolfs gestellt. Es wäre der erste genehmigte Abschuss eines Wolfs in Österreich, nachdem sich die streng geschützten Tiere hierzulande wieder angesiedelt haben, eine Entscheidung steht noch aus.

Auf Initiative von Salzburgs Agrar-Landesrat Josef Schwaiger (ÖVP), der eine Herabstufung des europaweiten Schutzstatus in der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie (FFH) befürwortet, hat Hackländer ein Gutachten über die Auswirkungen der Rückkehr des Wolfs erstellt. "Grundsätzlich ist es aus Sicht des Artenschutzes wichtig, echte Problemwölfe zu entnehmen", stellte der Experte fest. "Es ist zum Wohl jener Artgenossen, die sich so verhalten, wie wir es gerne hätten: Diese fressen hauptsächlich Wild und meiden die Nähe des Menschen."

Interessenabwägungen

Für das neue Gutachten wurden nach Angaben der Salzburger Landeskorrespondenz 1.000 Personen zu ihrem Freizeitverhalten und 30 Almbauern befragt. Alle Befragten sehen eine permanente Anwesenheit des Wolfes kritisch, hieß es. Eine hohe Zustimmung gebe es dafür, dass der Wolfs-Bestand regelmäßig von Fachleuten geprüft und bei Problemen jeweils der Ort und die Anzahl der Wölfe für den Abschuss festgelegt werden. Herdenschutzmaßnahmen wurden von einer Mehrheit als unrealistisch abgelehnt.

In den Alpen sei das Errichten von Zäunen aufgrund der Bodenbeschaffenheit und der Topografie technisch oft nicht möglich und das Hüten der Weidetiere mit Hunden in den Bergen zu mühsam, stimmt der Wildtierbiologe in diesem Punkt zu. Die Almwirtschaft sei schon jetzt mehr oder weniger Liebhaberei, und die Förderungen seien gerade einmal kostendeckend.

Wie viele Wölfe verträgt das Land?

An einem Wolfs-Management führe kein Weg vorbei, lautete das Hackländers Resümee. "Unsere Kulturlandschaft ist keine Wildnis. Es gibt Gebiete, wo es durchaus Platz gibt für Wolfsrudel, und Gebiete, wo wir nur Durchwanderer dulden können." Man müsse sich Obergrenzen überlegen: "Alles was darüber hinausgeht, wird entnommen."

Was die Zahl an Wölfen anbelangt, die in Österreich Platz finden könnten, ist laut Hackländers Befund allerdings noch beträchtlich Luft nach oben, wenn man den zweistelligen Ist-Zustand betrachtet. Die "ökologische Lebensraumtragfähigkeit" in Österreich sei geeignet für eine Population von mehreren hundert bis deutlich über 1.000 Wölfen – je nach Modellierung und Gewichtung der berücksichtigten Variablen. Österreich biete großflächig attraktive Lebensräume und es sei anzunehmen, dass sich in naher Zukunft weitere Rudel auch in Westösterreich etablieren könnten.

Reaktionen

Landesrat Schwaiger sieht sich vom Gutachten in seiner Forderung nach einer Änderung des europäischen Schutzstatus für den Wolf bestätigt. "Die traditionelle alpenländische Landwirtschaft muss auch künftig ohne aufwendige Begleitmaßnahmen möglich sein." Dafür seien die Gesetze der EU derzeit ungeeignet. "Wir müssen uns um eine Änderung des Schutzstatus des Wolfs bemühen. Wenn sich diese in großer Zahl bei uns ansiedeln, wird sich das Gesicht unseres ganzen Landes ändern."

Die Naturschutzorganisation WWF sieht das etwas anders und kritisiert das Wolfsmanagement des Landes Salzburg als "völlig untauglich". "Der Wolf ist eine europarechtlich streng geschützte Art. Daher muss die Landespolitik endlich eine praxistaugliche Herdenschutz-Offensive starten, anstatt ständig nur Abschussfantasien zu wälzen, die dem EU-Recht widersprechen", sagte WWF-Experte Christian Pichler.

"Freibriefe für Abschüsse auf Basis willkürlicher nationaler 'Obergrenzen' widersprechen dem EU-Naturschutzrecht", so Pichler. Bei streng geschützten Arten wie dem Wolf sei jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob nicht gelindere Mittel wie Herdenschutz oder der Einsatz von Hunden zum Ziel führen. Bisher sei aber "wenig bis nichts getan" worden, um konkret an Ort und Stelle zu helfen. "Damit lässt der zuständige Landesrat auch die betroffenen Weidetierhalter allein im Regen stehen. Das ist und bleibt ein Skandal", so der WWF-Experte.

Reizwort "Problemwolf"

Dass Schwaiger wiederholt von einem "Problemwolf" spreche, sei aus naturschutzfachlicher Sicht falsch: "Ein Wolf kann nicht zwischen erlaubter und unerlaubter Beute unterscheiden, solange er nicht durch Herdenschutzmaßnahmen von ungeschützten Weidetieren abgehalten wird", sagte Pichler. Ein richtig angewendeter Herdenschutz sorge dafür, dass Wölfe von Beginn an Weidetiere meiden und Wildtiere erbeuten, "weil sie sonst einen Stromschlag bekommen oder sie ein Herdenschutzhund vertreibt".

Mit der im Managementplan verankerten Zucht und Ausbildung von Herdenschutzhunden müsse rasch begonnen werden. "Dazu gehört die Suche nach geeigneten Hirten, um diesen traditionellen Beruf wiederzubeleben", sagte Pichler. Parallel dazu brauche es eine ausgewogene Beratung der Landwirte sowie unbürokratische und ausreichend dotierte Entschädigungslösungen nach Vorbild der Schweiz und anderer Nachbarländer, die mit weit größeren Wolfs-Populationen leben. (red, APA, 9. 10. 2019)