Cartoon: Oliver Schopf

Wöchentliche Bastelkurse und Nachmittagsprogramm mit Heinz Conrads? Nein, das wollen nicht alle über 80-Jährigen, bemerkte die Wiener Patientenanwältin Sigrid Pilz auf dem jüngsten STANDARD Wohnsymposium. Solche Angebote in Alten- und Pflegeheimen nannte sie ein "Kindergartenprogramm", eine "Reinfantilisierung", der Einhalt geboten werden müsse. Es brauche vielmehr eigene Theaterangebote für alte Menschen, und auch eigene Fernseh- und Radioprogramme.

DER STANDARD und das Fachmagazin "Wohnen Plus" hatten zum Wohnsymposium geladen, um über Wohnkonzepte zu diskutieren, die den Menschen ein selbstständiges Leben bis ins hohe Alter, inklusive entsprechender Betreuung und Pflege, ermöglichen sollten. Der Titel des Symposium, Daheim oder im Heim?", war in Pilz' Augen allerdings "die falsche Frage" . Denn es sei schlicht "ein Klischee, zu sagen, die Alten sind alle gleich, weil sie alt sind. Wir sind alle Individuen." Die Gesellschaft verjünge sich insgesamt, so Pilz, die das folgendermaßen illustrierte: "Meine Oma hätte nie ein Eis auf der Straße gegessen." Heutige Großeltern täten das bekanntlich sehr wohl.

Keine "Großkasernen" mehr

Die Zeiten hätten sich eben geändert. Noch im Jahr 2000 sei es "der auch politisch verteidigte Standard" bei der Pflege gewesen, die Menschen in riesigen Geriatriezentren am Stadtrand unterzubringen, in "Großkasernen mit Acht-Bett-Zimmern". In den letzten 15 Jahren habe es hier ein völliges Umdenken gegeben. Die Stadt Wien bzw. ihr Krankenanstaltenverbund (KAV) schrieb den Bau von acht neuen Pflegewohnhäusern aus. Im letzten davon, dem 2015 fertiggestellten Pflegewohnhaus Rudolfsheim-Fünfhaus der Gesiba (siehe dazu auch Seite 5), fand das Wohnsymposium statt. Dort gibt es fast nur Ein-Bett-Zimmer, ein freundliches Ambiente, Platz für Privates.

Da hat sich also sehr viel getan. Auf das Image der Häuser hat sich das bloß noch nicht wirklich ausgewirkt. Das ging nicht nur aus zahlreichen Postings im derStandard.at-Forum hervor, wo die User gefragt wurden, wie sie denn im Alter gerne leben würden. "Bevor ich ins Altersheim gehe, will ich sterben", kam da beispielsweise als Antwort. "Alte Menschen werden gerne abgeschoben und zu Tode gepflegt", hieß es andernorts, und: "Teilweise müssen die sich im Heim sogar ein Zimmer teilen."

Auch alle Expertinnen und Experten, die beim Symposium auftraten, bestätigten eines: Fast alle Menschen wollen zu Hause alt und nach Möglichkeit auch dort gepflegt werden. "Betreutes" bzw. "betreubares Wohnen" ist deshalb immer öfter gefragt, und es gibt auch in Österreich immer mehr Konzepte dazu (siehe Seite 2).

Bevölkerung altert rasch

Das wird auch notwendig sein, denn es gibt immer mehr Pflegebedürftige in Österreich, das liegt schlicht und ergreifend daran, dass die Menschen immer älter werden. Bald werden 2,5 Millionen über 60-Jährige in Österreich leben, zitierte Wohnbauforscher Wolfgang Amann eine seiner Studien. Viele davon, vor allem Frauen, werden älter als 80. Ab diesem Alter steige der Pflegebedarf enorm, so Amann.

Ein großer Anteil der Senioren lebe in Häusern aus den 50er- bis 70er-Jahren, die nicht altersgerecht sind, meinte Amann und hatte dabei auch zahlreiche Einfamilienhäuser im Blick. Patientenanwältin Pilz verwies auch auf die vielen Wiener Gemeindebauten aus dieser Zeit, die nicht seniorengerecht sind. Dort müsse man nun "das hineinbringen, was die alten Leute brauchen", etwa Rollator-Parkplätze. Und es müsse auch für die immer heißeren Sommer vorgesorgt werden, denn gerade alte Menschen litten darunter besonders.

Info-Stelle über alle Wiener Angebote

Um den Gemeindebau drehte sich auch die politische Debatte des Wohnsymposiums zwischen Wiens Sozialstadtrat Peter Hacker (SPÖ) und der Wiener ÖVP-Abgeordneten und Präsidentin des Österreichischen Seniorenbunds, Ingrid Korosec. Hacker schlug am Ende vor, eine "zentrale Informationsstelle" einzurichten, um alle existierenden Wohnkonzepte für alte und pflegebedürftige Menschen im Blick zu haben. (Martin Putschögl, 9.10.2019)