Wenn sich die Oberfläche eines Smartphones bei der Verwendung einer Navi-App erwärmt, "dann sollte man sich eigentlich glücklich schätzen", sagt Frank Wiesbrock. Der Chemiker beschäftigt sich am Polymer Competence Center Leoben (PCCL) mit der "Chemie von (Nano-)Kompositen": "Bei einer äußerlichen Erwärmung sei zumindest eines sichergestellt: Die Wärme aus dem Inneren hat den Weg nach außen gefunden." Das Gerät wird zwar heiß, aber es funktioniert. Wäre die Wärmeabfuhr nicht gegeben, so könnte das fatale Folgen haben. Denn ein Wärmestau im Inneren eines elektronischen Gerätes kann Prozessoren und andere Bauteile schädigen, genauer gesagt: sie durch thermische Überbeanspruchung über den digitalen Jordan schicken.

Lange Nutzung von Smartphones macht Telefone warm. Das kann künftig ein Problem werden
Foto: imago

Nicht nur in der Elektronikindustrie steht man heute vor einer Herausforderung. Elektrischer Stromfluss funktioniert nur, wenn zwischen den Stromleitern perfekte und am besten hauchdünne Isolierschichten liegen. Kunststoffe, also Polymere, eignen sich dafür besonders gut. Sie sind leicht herzustellen und kostengünstig. Das Problem: Sie sind sehr schlechte Wärmeleiter. Das kann jeder im Eigenversuch überprüfen, sagt Wiesbrock. Man brauche nur im Geschirrspüler nach dem Waschgang den Trocknungsgrad von Steingut- und Plastiktellern vergleichen: Nach kurzer Zeit wird der Steingutteller trocken, der Kunststoffteller aber noch voller Wassertropfen sein. Das Prinzip, dass sich das Geschirr im Trocknungsschritt hätte aufheizen sollen, damit das Wasser an der Oberfläche verdampft, versagt beim Plastikteller, der keine Wärme aufnehmen kann.

Die schlechte Wärmeleitfähigkeit von Polymeren wird durch den technischen Fortschritt aber immer mehr zum Problem. Denn die Leistungsdichte von elektronischen Geräten wird immer größer. Nach dem Moore'schen Gesetz verdoppelt sich die Anzahl der Transistoren auf selber Baufläche alle zwei Jahre. Recht profan ausgedrückt heißt das: Immer leistungsfähigere Chips werden im Betrieb auch immer heißer – und der Wärmeabtransport ein immer wichtigeres Thema.

Chemie der Polymere

Eine Möglichkeit zur Optimierung liefert die "Chemie der Polymere". Denn die Wärmeleitfähigkeit von Polymeren kann mit ein paar chemischen Tricks durchaus verbessert werden. Wiesbrock und sein Team, die sich mit einer Vielzahl von Polymerthemen beschäftigen, erforschen im von Wirtschafts- und Verkehrsministerium und von der Förderagentur FFG unterstützten K-Projekt "Polymers for Thermally Demanding Applications" (Polytherm), mit welchen Methoden man das erreichen könnte. Prinzipiell stehen dafür einige Möglichkeiten zur Verfügung. Man kann etwa die Struktur der Polymere selbst zu beeinflussen versuchen. Die Ergebnisse sind aber eher bescheiden, meint Wiesbrock.

Die zweite Methode: Man "füllt" die Polymere mit Zusatzstoffen auf, die eine bessere Wärmeleitfähigkeit aufweisen. Ungefüllte, also reine Polymere haben in der Regel eine Wärmeleitfähigkeit von etwa 0,1 bis 0,2 Watt pro Meter und Kelvin. Das sei nicht viel. Sie ist mit der Wärmeleitfähigkeit von massivem, trockenem Holz zu vergleichen. Mischt man dem Kunststoff vor dem Aushärten aber gute Wärmeleiter aus anorganischem Material bei, wie etwa Bornitrid, kann die Wärmeleitfähigkeit des nunmehrigen Verbundwerkstoffes auf das Vierzigfache gesteigert werden. "Partikel beizumischen klingt im Prinzip recht einfach", sagt Wiesbrock, "aber der Teufel steckt im Detail." Denn Polymere und anorganische Füllstoffe verhalten sich zueinander mitunter recht eigenwillig.

Leobener Lösung

Die Kunst bestehe nun nicht nur darin, die richtigen Additive zu finden, sondern diese auch so "einzurühren", dass sie sich nicht verklumpen. Experimentiert wird dabei mit vielerlei, zum Beispiel mit Partikelgrößen. Nanopartikel funktionieren gut, sind allerdings vergleichsweise teuer. Mit ein paar patentierten chemischen Tricks – Stichwort: Additive zu den Additiven- schafften die Leobener aber auch erhöhte Wärmeleitfähigkeiten mit billigeren, aber rund 1000-mal größeren Makropartikeln.

Ein weiteres Problem, das bei Isolationspolymeren auftritt, ist ihre Ausdehnung bei Hitze. Diese kann, etwa in Gießharz-Transformatoren, eine geräteschädigende Raumexpansion hervorrufen. Am Polymer Competence Center Leoben konnte man dieses Problem mittlerweile elegant mit einem neuen chemischen Additiv lösen. Der Trick: "Man hat nach einem Material zu suchen, das sich bei Erwärmung nicht ausdehnt, sondern schrumpft." Fündig wurde man – Wer hätte es gewusst? – bei Zirkoniumwolframat. Dieses Material schrumpft bei Erwärmung und drosselt somit die Gesamtausdehnung des Komposits. Schöner Seiteneffekt, so Wiesbrock: "Der Zusatzstoff ist nicht wirklich teuer – und die Rohstoffe stammen aus Österreich." (Norbert Regitnig-Tillian, 11.10.2019)