Die Grundrisse der erweiterten Wohnanlage der Bauträger Neues Leben und Siedlungsunion in der Katsushikastraße 1 in Wien-Floridsdorf sollen sowohl für Jungfamilien als auch für Senioren passen.

Visualisierung: schreinerkastler

Auf der einen Seite die Autobahn A22, auf der anderen Seite die Bundesstraße B3, und mittendrin ein Wohnbau der beiden Bauträger Neues Leben und Siedlungsunion, der für sich den Anspruch erhebt, das hier gewählte Motto "Stadt trifft Dorf" zu bedienen. Eine starke Ansage. Doch was auf den ersten Blick fast schon zynisch anmutet, entpuppt sich bei näherer Betrachtung als cleveres Wohnbau-Tetris, mit dem es gelungen ist, die Wohnräume mittels schlauer Geometrie und nach innen gerichteter Patio-Wohnungen – in der Mitte ein ganz privater Mini-Innenhof – von der vorbeibrausenden Verkehrshölle visuell und akustisch abzuschotten. So clever sogar, dass das Projekt kürzlich für den renommierten Mies-van-der-Rohe-Award für zeitgenössische europäische Architektur nominiert wurde.

Die erste Bauphase von Florasdorf, so der offizielle Titel der Wohnhausanlage mit rund 300 geförderten Wohnungen, Wohnheim und Kindergarten, ist fertiggestellt und längst schon besiedelt. Nun soll das Dorf in der Stadt um zusätzliche 150 geförderte und freifinanzierte Miet- und Eigentumswohnungen erweitert werden. Grundlage dafür war ein Bieterverfahren, bei dem das nun verbliebene Restgrundstück Katsushikastraße 1 vom bisherigen Eigentümer ÖBB auf den Markt gebracht und an den Bestbieter verkauft wurde. Das Schicksal meinte es gut mit den beiden bisher hier tätigen Bauträgern, die abermals den Zuschlag erhielten.

Flexible Nutzungen

Wie auch schon in der ersten Bauphase richtet sich der Fokus auch diesmal wieder auf flexibel nutzbare Geschoß- und Maisonettewohnungen, die sich dank getrennter Zugänge für Wohnen und Arbeiten, für Einliegerwohnungen oder für Intergenerationenwohnen eignen – beispielsweise wenn die Pubertierenden rebellieren und etwas Distanz zu den Eltern benötigen oder wenn in der letzten Lebensphase Oma oder Opa zur Pflege wieder zu ihren Lieben ziehen. Auf diese Weise kann die Wohnung jederzeit auf wechselnde Bedürfnisse reagieren.

"Unter sozialer Nachhaltigkeit verstehen wir Wohnungen, die möglichst unterschiedlich belegt und genutzt werden können", sagt Lina Streeruwitz, Studio Vlay Streeruwitz, die das Projekt gemeinsam mit Freimüller Söllinger Architekten plante. "Das ist nachhaltiger und langfristig sinnvoller, als einen Grundriss beispielsweise dezidiert als Alterswohnung zu konzipieren – wobei ich bezweifle, ob sich ein guter Seniorengrundriss so eklatant von einem guten Jungfamiliengrundriss unterscheidet." 151 Miet- und Eigentumswohnungen, die entgegen der Widmung nicht nur freifinanziert, sondern zum überwiegenden Teil gefördert vergeben werden, stehen nun auf dem Programm.

Hinzu kommen Sondereinrichtungen wie etwa ein großer Supermarkt im Erdgeschoß, ein paar kleinere Gewerbeflächen, anmietbare Büroräumlichkeiten für die hier Wohnenden sowie ein Heim mit insgesamt 61 Einheiten. Angedacht ist eine soziale Nutzung im Bereich Jugend, Senioren oder Wohnungsnot. Derzeit, heißt es, führe man Gespräche mit interessierten Betreibern. In den kommenden Wochen soll der Spatenstich erfolgen. Die Fertigstellung ist für Herbst 2021 angedacht.

Urban Gardening

"Im bereits realisierten Bauteil haben wir Gemeinschaftsräume errichtet und auch für diverse Gemeinschaftsprogramme wie etwa Urban Gardening gesorgt", sagt Architektin Regina Freimüller-Söllinger. "Unser Konzept sieht vor, dass sowohl die neuen Mieter und Eigentümer als auch die geplante Sozialeinrichtung die bereits bestehenden Ressourcen im Bauteil 1 mitnutzen können."

Auch sonst soll der Bruch zwischen den beiden Bauphasen, den beiden planenden Architekturbüros und nicht zuletzt auch den beiden Bauträgerzuständigkeiten auf ein Minimum reduziert werden: Die aufwendig gestalteten Sichtbetonteile, die den bereits bestehenden Loggien und Balkonen als Geländer dienen und die Fassade in eine Skulptur verwandeln, sollen auch im neuen Bauteil zum Einsatz kommen – und das gar nicht so kleine Florasdorf in ein städtisches Kleid hüllen. (Wojciech Czaja, 9.10.2019)