Jüngere und ältere Bewohner sollen in der Wohnbauanlage "Kolokation am Seebogen" (Kolok-As) Tür an Tür wohnen.

Visualisierung: Asynkron

Auch die Baugruppe Leuchtturm in der Seestadt verfolgt ein Generationenkonzept.

Visualisierung: Leuchtturm

Der Bildungscampus in der Seestadt Aspern füllt sich in diesem Herbst mit neuen Schülern. Auf dem Platz davor Mütter und Väter mit Kinderwagen, am See hielten den Sommer über Jugendliche die Übermacht. Wo immer man sich umschaut: Die Seestadt ist nicht nur architektonisch jung, auch der Altersdurchschnitt ist entsprechend. Kein Wunder, sind junge Familien und Alleinerziehende doch die Stammklientel im geförderten Wohnbau.

Beiderseitiger Vorteil

Das wird sich demnächst ändern, und das liegt an Personen wie Freya Brandl. Die Architektin und Forscherin ist gemeinsam mit dem Kollegen Peter Bleier Gründerin des Vereins Kolokation. Ko-Lokation, das heißt Zusammenleben von Alt und Jung unter einem Dach, zu beiderseitigem Vorteil. Wohnmodelle dieser Art hat sie schon in vielen europäischen Ländern besucht, nur in Österreich gab es keine. "Also haben wir ein Pilotprojekt gestartet, für ältere Menschen, die selbstständig sein wollen." Denn heute beginnt im Alter für viele ein neuer Lebensabschnitt, in dem noch vieles möglich ist. "Bei vielen wohnen die Kinder weit weg, und man droht zu vereinsamen. Also sucht man sich eben eine Wahlverwandtschaft!"

Das habe auch energetische Vorteile, so Brandl. "Denn wenn Ältere aus ihren großen Wohnungen und Reihenhäusern in eine kleinere Wohnung ziehen, tragen sie zum Flächensparen bei." Eine Meinungsumfrage ergab, dass rund ein Drittel der Senioren Interesse am gemeinschaftlichen Wohnen zeigt. Die Nachfrage übersteigt das Angebot um ein Vielfaches.

Treffpunkt im Erdgeschoß

Um dies zu ändern, tat sich der Verein mit zwei weiteren zusammen. "Juno" und "WGE! Gemeinsam wohnen" richten sich jeweils an Alleinerziehende und Studierende. Gemeinsam mit Architekt Christian Kronaus und dem Bauträger Schwarzatal gewann man unter dem Namen "Kolokation am Seebogen" (Kolok-As) den Bauträgerwettbewerb in Aspern, Ende 2020 wird das Haus bezogen. "Die Wohnungen werden darin geschoßweise bunt durchmischt", sagt Kronaus. "Im Erdgeschoß wird der soziale Träger ,Jugend am Werk', einen Treffpunkt betreiben, der für Bewohner und Nachbarn offen ist."

Wie profitieren nun die Generationen von der Ko-Lokation? In zahlreichen Alltagssituationen, so Freya Brandl. "Viele junge Eltern sind froh, wenn jemand das Kleinkind zur Kita begleitet oder zur Apotheke geht, wenn das Kind krank ist und nicht allein gelassen werden kann. Die Jüngeren helfen dafür den Älteren beim Transport oder mit dem Computer."

Mehr Frauen als Männer

Das Interesse ist groß, auch dank der günstigen Mieten im geförderten Wohnbau. "Allerdings haben wir noch einen Frauenüberschuss", lacht Brandl. Wie bei vielen Baugruppen, die auf geförderten Wohnbau setzen, muss man sich mit dem vorgeschriebenen Anteil an Wohnungen, die über den Wohnservice Wien vergeben werden, arrangieren.

Für den Bauträger wiederum lohnt sich der Mehraufwand in der Planung mit Baugruppen, da diese pfleglicher mit dem Haus umgehen und länger dort wohnen bleiben, was den Verwaltungsaufwand für den Bauträger reduziert.

Verein als Generalmieter

Dieser baut auf dem benachbarten Baufeld gleich die nächste Baugruppe, in Wahlverwandtschaft und -nachbarschaft. Das Wohnprojekt mit dem freundlich-maritimen Namen Leuchtturm Seestadt soll zum Bezugszeitpunkt rund 70 Erwachsenen und 30 Kindern ein Zuhause bieten. Insgesamt beinhaltet das Haus (Baubeginn ist im November) 45 Wohnungen, eine WG, Gemeinschaftsflächen und rund 800 Quadratmeter für Gewerbe. Anders als bei Kolok-As erfolgt die Vergabe nicht über die Wohnbauförderung, stattdessen ist der Verein Generalmieter und das Haus als Wohnheim gefördert.

Auch hier versammeln sich mehrere Generationen unter einem Dach, Ziel des Vereins ist, den Bewohnern die theoretische Möglichkeit zu geben, mehrere Lebensabschnitte im "Leuchtturm" zu verbringen und alt werden zu können. "Dafür werden einige Wohnungen von Anfang an voll barrierefrei geplant", erklärt Markus Zilker vom baugruppenerfahrenen Büro Einszueins-Architektur. Hinzu kommen eine Senioren-WG und eine Praxisgemeinschaft für Therapeuten. "Die Bedürfnisse der Hausgemeinschaft werden in Gruppenworkshops erarbeitet, und vereinsintern soll der Wohnungswechsel innerhalb des Hauses ermöglicht werden", ergänzt Micha Poszvek vom Büro Realitylab, das den Prozess begleitet. Mit Angeboten wie diesen steigen die Chancen, dass die Seestadt Aspern zur generationenübergreifenden Nachbarschaft findet. (Maik Novotny, 11.10.2019)