Anna Haumer und Valentin Gruber-Kalteis haben 2018 den ersten Michelin-Stern gekriegt, bald darauf aber war es mit ihrer Küche im Blue Mustard (die Hütte mit dem Charme einer exquisit elektrifizierten Tiefgarage neben dem Hawelka) wieder vorbei. Das junge Paar leistet sich jetzt, was andere nicht einmal zu träumen wagen: eine Auszeit.

Anna, um endlich zu studieren, Valentin, um noch einmal aus der Küche zu kommen und anderen Facetten der Welt des guten Essens nachzuspüren – der Sternekoch vertreibt jetzt gewaltig gute Steaks von alten Milchkühen aus dem Salzkammergut.

Die blutjungen Sterneköche Anna Haumer und Valentin Gruber-Kalteis machen jetzt Pop-up im dritten Bezirk.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Von der Kocherei können die zwei aber nicht lassen, im Gegenteil. Was man in so einer Situation tut? Irgendwo aufpoppen, genau. Im Weißgerberviertel gibt es mit dem Andante eine hübsche und überkomplett ausgestattete Kochbar, die für den Zweck als ideal befunden wurde. Wenn es etwas zu mäkeln gibt, dann dass der langgestreckte, mit riesigen Fenstern zur Gasse offene Raum eigentlich zu geschniegelt und perfekt für ein Pop-up ist.

Dessen Charme steigt bekanntlich analog zum Grad an Improvisation, Spontaneität, auch abenteuerlicher Verwitterung, die solch temporär genutzte Gastro-Schatzhöhlen idealerweise umwehen sollten. Hier hingegen riecht alles eindeutig nach Restaurant, bis hin zur gedämpften Musik, den fein gezimmerten Tischen und der aufwendig herbstlichen Deko aus allerhand über der Tafel schwebendem Geäst und Geranke.

Noch viel besser

Im Gegenzug ist aber auch das Essen mindestens so gut, wie man es von ihrer letzten festen Adresse erinnert, zum Teil noch viel besser. Schon damals wussten die beiden mit konturierter, unverschmockter, echt großer Küche zu überraschen. Und mit besonderer Anmut bei fleischfreien Gerichten – in Österreich sonst eine Gelegenheit für besonders komplizierte Verrenkungen dekorierter Köche.

Jetzt setzen die zwei Jungstars noch was drauf. Es wirkt, als ob die geliehene Location sie dazu animiert, die Arbeit einerseits unbekümmerter, kantiger anzugehen, gleichzeitig aber auch die Virtuosität höherzuschrauben. Dass dabei eine im Grunde wohlerzogene, unaufgeregte, stets auf den Gast fokussierte Küche herauskommt, spricht einerseits für gute Erziehung, mindestens so aber für frühreife Gelassenheit. Die zwei scheinen buchstäblich ineinander zu ruhen.

Kühler, in Holzkohleöl confierter – und nur flüsterzart rauchiger – Saibling mit knackigen Schwarzwurzeln.
Foto: Gerhard Wasserbauer

Glückstorpedos

Das schmeckt man ab den ersten Grüßen aus der Küche. Rosmarintartelette mit geschmortem Hendl, Grammeln und Erbsen mag als Appetitanreger wie totale Themenverfehlung klingen, tatsächlich aber gelingt es den beiden, aus der Kalorienbombe einen vielschichtig animierenden, wagemutig ausbalancierten Glückstorpedo zu formen, nach dem man augenblicklich mehr will.

Kühlen, in Holzkohleöl confierten – und nur flüsterzart rauchigen – Saibling mit knackigen Schwarzwurzeln zum Beispiel (siehe Bild), der mit fruchtig saurer Hollercreme und frischer Ingwerblüte von Krautwerk-Wundergärtner Robert Brodnjak zu einer verstörend harmonischen Komposition wird. Oder sautierte Pilze, die mit rohem Pfirsich, Amaranth und Tannenwipfelhonig zu fast zufällig wirkender Herrlichkeit finden.

Ob der in brauner Butter gebratene Wels mit herrlichen Säureakkorden von fermentierter schwarzer Ribisel, Buttermilch und Senf das absolut geilste Gericht des Abends war oder doch die rot und knusprig gebratene Schnitte von der alten Kuh mit einem salbeischwangeren Schmelz von Ofenmelanzani und heugeräucherter Hollandaise, lässt sich im Rückblick kaum noch auseinanderfuzeln. Ist aber auch egal, beim nächsten Termin gibt's eh was ganz anderes. Dass es mindestens so super wird, lässt sich dafür mit Gewissheit voraussagen. (Severin Corti, RONDO, 11.10.2019)

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