Die Rennräder des italienischen Herstellers Bianchi sind unter Sportlern weltweit bekannt. Dabei ist es gleichgültig, wie weit die Markenräder von den Kunden gefahren werden. Den größten Teil der Welt haben die Fahrräder gesehen, bevor sie verkauft werden. Design und Entwicklung der Räder findet in Italien statt. Zusammengebaut werden sie in Taiwan, Einzelteile kommen aus China, Japan, Malaysia. Shimano aus Japan macht die Bremsen und baut sie selbst in China und Taiwan zusammen.

Das Beispiel stammt aus einem soeben veröffentlichten Bericht der Weltbank über den Zustand des Welthandels. Der zentrale Befund des Reports: Nach Jahrzehnten der zunehmenden wirtschaftlichen Integration hat die Globalisierung ihren Höhepunkt vorläufig überschritten. Die Welt wächst wirtschaftlich nicht weiter zusammen, auch wenn bestehende Verflechtungen bleiben dürften.

Diese Entwicklung hat vor allem damit zu tun, dass Produzenten wie Bianchi ihre Produkte bereits global herstellen und es wenig Spielraum für weitere Vertiefung gibt. Aber auch das politische Umfeld hat sich verändert.

2.500 Zulieferer

Zur Erklärung: Der globale Handel lässt sich in zwei Ströme einteilen. Da gibt es einmal den Handel mit fertigen Industriegütern und Rohstoffen zwischen Ländern, wenn beispielsweise ein deutscher Maschinenbauer sein Produkt an einen chinesischen Textilerzeuger verkauft.

Der andere Teil des Welthandels findet statt, wenn Komponenten oder Software, die für ein Produkt gebraucht werden, quer um den Globus transportiert werden wie beispielsweise das Smartphone: 2.500 Zulieferer sind derzeit nötig, damit ein Samsung-Telefon in Vietnam fertiggebaut werden kann.

Vietnam hat besonders davon profitiert, dass das Land mehr verarbeitete Produkte exportieren kann, so die Weltbank.

In den 1970er-Jahren entfielen 37 Prozent des globalen Warenaustauschs auf den Handel mit Zwischenprodukten. 2008 lag dieser Wert bei über 50 Prozent. Diese Entwicklung hatte mehrere Ursachen: Regional wie global sind viele Märkte enger zusammengerückt.

In Südostasien haben Südkorea, Taiwan und China eine starke Industrialisierung durchgemacht. In den 1990er-Jahren haben sich die ehemals kommunistischen Staaten Osteuropas in den Westen integriert, was die Entwicklung ebenso befeuerte. Nirgendwo laufen heute, gemessen an der Einwohnerzahl, so viele Pkws vom Fließband wie in der Slowakei.

Trendumkehr bei Globalisierung

Dieser Trend hat sich laut Weltbank seit 2008 umgekehrt. Die wichtigsten Märkte sind weitgehend erschlossen, Handelsbarrieren gefallen. Neue umfassende Handelsliberalisierungen hat es nicht gegeben. China produziert mehr Güter im eigenen Land.

Belege dafür, dass die fortschreitende Automatisierung die Globalisierung bremst, weil in reichen Ländern, wo Arbeit teuer ist, mehr Maschinen eingesetzt werden können, gibt es laut Weltbank derzeit zwar nicht. Wohl aber sieht es danach aus, dass die Enttäuschung über die Globalisierung in Industrieländern protektionistische Tendenzen aufleben lässt – Stichwort Trump und Brexit. Das bereitet der Washingtoner Organisation zunehmend Sorgen.

Denn vor allem der Handel mit Zwischenprodukten fördert laut Weltbank Wohlstand. Das Pro-Kopf-Einkommen steige fünfmal stärker, wenn ein Land mehr verarbeitete Produkte ausführt, als wenn es im selben Ausmaß zusätzlich Rohstoffe exportiert, heißt es in der Studie. In Indien, Vietnam, Bangladesch und China konnten hunderte Millionen Menschen der Armut nur entkommen, weil diese Länder Teil der globalen Werkbank geworden sind. (András Szigetvari, 10.10.2019)