Bei der Ärzteausbildung soll ein stärkerer Fokus auf Allgemeinmedizin gelegt werden, fordert die Ärztekammer.

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Wien – Die Ausgaben für Gesundheit steigen, die gesunden Lebensjahre der Österreicher stagnieren aber. So viel ist unbestritten. Interpretationssache ist aber, ob die Kosten für das Gesundheitssystem tatsächlich höher sind als der europäische Durchschnitt.

Für Johannes Steinhart, Vizepräsident der Österreichischen Ärztekammer, ist das österreichische System unterfinanziert. Er fordert eine Patientenmilliarde. Denn: Die Kosten seien in Relation zu vergleichbaren Ländern wie Deutschland und der Schweiz gar nicht so hoch. Diese These untermauert eine gemeinsame Studie von Leo Chini, Wirtschaftsuniversität Wien, und Martin Albrecht, Forschungsinstitut für Infrastruktur und Gesundheitsfragen Berlin (Iges). Sie kritisieren, dass häufig mit irreführenden Zahlen gerechnet werde – vor allem vonseiten der OECD. Verglichen mit Deutschland und der Schweiz sei der österreichische Anteil mit 10,3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts am geringsten, sagt Albrecht. Auch die Gesundheitsausgaben pro Kopf seien mit rund 4.000 Dollar geringer als in den beiden Nachbarländern.

Reformpotenzial sieht der deutsche Ökonom bei der "überproportionalen Inanspruchnahme von stationären Leistungen". Diese machen immerhin 44 Prozent der Gesundheitskosten aus. Den Grund für die häufige Inanspruchnahme sieht Albrecht in der hohen Spitalsdichte. Eine bessere Koordinierung der Leistungen und auch der Ausbau des tagesklinischen Angebots könnten zu einer Entlastung dieses kostenintensiven Bereichs führen.

Fokus Allgemeinmedizin

Steinhart sieht sich in seiner Ansicht bestätigt, dass es "Potenzial nach oben in der Ausgestaltung des Gesundheitssystems" gebe. Dem Standesvertreter bereitet vor allem der drohende Ärztemangel Sorge. Um den Status quo aufrechtzuerhalten, brauche es 1.450 Ärzte jährlich. Um das zu erreichen, reiche es aber nicht, nur die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Auch die Arbeitsbedingungen müssten endlich verbessert werden. Dazu müsse auch die Qualität der Basisausbildung in Spitälern verbessert werden.

"Allgemeinmedizin darf nicht länger ein Nebenprodukt in der Ausbildung sein", sagt Steinhart. Sonst seien die wenigsten Absolventen bereit, Hausarztpraxen zu übernehmen. Spezielle Herausforderung ist für ihn der ländliche Bereich, wo immer häufiger Stellen unbesetzt blieben. Um hier entgegenzuwirken, brauche es Landarztstipendien, Kreditzuschüsse oder auch flexiblere Arbeitszeitmodelle für Jungärzte, etwa durch Jobsharing oder Gruppenpraxen. (Marie-Theres Egyed, 9.10.2019)