Eine Studie des UN-Kinderhilfswerks Unicef und der Asylkoordination Österreich befasst sich erstmals mit der kinderrechtlichen Situation von sogenannten begleiteten Kinderflüchtlingen

Foto: UNICEF/UN020937/Hasen

Wien – Eine am Mittwoch präsentierte Studie des UN-Kinderhilfswerks Unicef und der Asylkoordination Österreich befasst sich erstmals mit der kinderrechtlichen Situation von sogenannten begleiteten Kinderflüchtlingen, die gemeinsam mit ihrer Familie in Österreich leben. 2018 waren das waren 90 Prozent aller minderjährigen Asylantragsteller in Österreich. In Bezug auf diese Gruppe sehen die Studienautorinnen "klare Defizite in der Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention". Mängel gebe es vor allem in den Bereichen materielle Sicherung, Bildung und psychische Gesundheit.

In qualitativen Interviews wurden 30 Familien und 40 Kinder befragt und Gespräche mit 22 Experten und Expertinnen aus den Bereichen Betreuung, Rechtsberatung, Psychotherapie, Kindermedizin, Kinder- und Jugendhilfe, Schule und Zivilgesellschaft geführt.

Fehlende finanzielle Sicherheit führt zu sozialer Ausgrenzung

Eine besondere Herausforderung stellt die materielle Situation von Kinderflüchtlingen dar, heißt es in der Studie. Einer Familie mit zwei Kindern, die in einer privaten Unterkunft lebt, stehen im laufenden Asylverfahren insgesamt 930 Euro pro Monat aus der Grundversorgung zur Verfügung. "Weit weniger als die Mindestsicherung", sagt Lisa Wolfsegger, eine der Studienautorinnen. Kinder von privat wohnenden Familien seien außerdem im Bezug auf Unterstützung benachteiligt, weil es für sie keine Betreuung wie in organisierten Quartieren gibt.

Familien in Quartieren wiederum leben in beengten Wohnverhältnissen ohne Privatsphäre. Dazu kommt ein faktisches Arbeitsverbot der Eltern während des Asylverfahrens und ein erschwerter Zugang zum freien Wohnungsmarkt. In Kombination würden diese Voraussetzungen zu sozialer Ausgrenzung führen und verhindern eine Realisierung des Rechts auf Freizeit und Erholung laut Artikel 31 der Kinderrechtskonvention.

Von Ausbildungspflicht ausgeschlossen

Besonders problematisch sind laut Studie auch die Bereiche Bildung und psychische Stabilität. Im Bereich der Elementarpädagogik seien Flüchtlingsfamilien aus finanziellen Gründen benachteiligt und Jugendliche, die älter als 15 Jahre alt sind und daher nicht mehr schulpflichtig, sind darauf angewiesen, dass eine höhere Schule einen Platz für sie hat.

Sie sind von der allgemeinen Ausbildungspflicht bis 18 ausgeschlossen. In den Schulen selbst würde es außerdem an Wissen über die Lebenssituation von Kinderflüchtlingen fehlen. "Das Recht auf Bildung nicht mehr schulpflichtiger Asylsuchender ist nicht garantiert", so die Studienautorinnen.

Durch kriegsbedingte Traumata, Unsicherheit aufgrund des Asylverfahrens und mangelnde Psychotherapieplätze sei es vielen Eltern nicht möglich, ihre Kinder altersadäquat zu unterstützten. "Je geschwächter die Eltern, desto stärker müssen die Kinder sein", sagt Andrea Fritsche von Unicef Österreich. So komme es oft zu einer Rollenumkehr oder "Parentifizierung". Kinder übernehmen die Elternrolle und "werden dadurch in ihrem Kindsein eingeschränkt", so Fritsche.

Nachteile auf dem Land

Im Zuge der Studie wurden außerdem die unterschiedlichen Gegebenheiten in Stadt und Land betrachtet. Neben Familien in Wien wurden auch Betroffene in Oberösterreich befragt. Es hat sich gezeigt, dass insbesondere die Unterbringung in ländlichen Gebieten mit höheren Mobilitätskosten und Nachteilen im Gesundheits-, Bildungs- und Beratungsbereich verbunden ist. Soziale Nähe und kleinteilige Kooperationsstrukturen würden aber oft informelle und raschere Lösungswege und Unterstützung ermöglichen.

Um die gegenwärtige Situation zu verbessern, fordern die Studienautorinnen unter anderem eine unabhängige Monitoringstelle für Kinderrechte, niederschwellige Familienberatungsstellen sowie eine Systematisierung von fluchtspezifischem Wissen in Beratungseinrichtungen und Schulen. (Johannes Pucher, 10.10.2019)