Flüchtende IS-Kämpfer sind kein Problem, weil sie eh nach Europa gehen – sagt US-Präsident Trump.

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Washington – US-Präsident Donald Trump hat in einer Pressekonferenz Mittwochabend seine Entscheidung für einen Abzug der US-Truppen aus dem Norden Syriens verteidigt. Zugleich drohte er aber erneut der Türkei: Sollte diese nicht "rational handeln" und – so die Frage eines Reporters – "die Kurden auslöschen", dann werde er selbst "die türkische Wirtschaft auslöschen".

Sorgen, dass ein türkischer Einmarsch in das kurdische Gebiet zum Sicherheitsproblem für die USA werden könnte, weil dort auch rund 11.000 ehemalige Mitglieder der Terrormiliz "Islamischer Staat" (IS) von den Kurden interniert werden, habe er nicht. Denn sollten diese wegen des türkischen Einmarsches entkommen, "dann entkommen sie nach Europa".

Konkret bezog sich Trump dabei auch auf die seiner Ansicht nach fehlende Zusammenarbeit europäischer Staaten mit den USA. "Es muss ein wechselseitiger Austausch sein", sagte er. Europa hätten monatelang IS-Kämpfer zurücknehmen, sie auf regulärem Wege nach Hause bringen und ihnen anschließend den Prozess machen können, sagte er, "sie hätten tun können, was sie wollen". Das sei nicht geschehen, so Trump, "wie immer gab es keinen fairen Deal für die USA".

Trump deutete damit an, dass die Länder des Kontinents nun eben mit womöglich steigender Terrorbedrohung zurecht kommen müssten. Erste Ausbrüche aus IS-Gefängnissen, die bisher von den Kurden betrieben worden waren, sind am Mittwoch nach Beginn der türkischen Offensive bereits gemeldet worden. Diese Meldungen wurden allerdings später wieder zurückgezogen. Am Mittwochabend trafen nach kurdischen Angaben türkische Luftangriffe eines der Gefängnisse.

Zur Situation der Kurden als Verbündete der USA teilte er mit, diese würden nicht für die Vereinigten Staaten, sondern nur für sich selbst kämpfen: "Sie haben uns nicht im Zweiten Weltkrieg unterstützt, sie haben uns nicht in der Normandie geholfen. Sie sind nur daran interessiert, für ihr Land zu kämpfen", so der US-Präsident wörtlich. Das gesagt, müsse er aber auch festhalten: "Wir mögen die Kurden".

"Natürlicher Feind der Türkei"

Gleichwohl sei es ein Fehler seines Amtsvorgängers Barack Obama gewesen, diese auch in Syrien zu unterstützen: "Sie sind der Erzfeind der Türkei", und das müsse man auch in Rechnung stellen. Mit der Türkei und den Kurden verhalte es sich in Sachen Hass wie mit Israel und den Palästinensern, "vielleicht ist der Hass sogar stärker". Die in der Türkei verbotene türkische Arbeiterpartei PKK, die mit den syrischen Kurden der PYD verbündet ist, sei "der natürliche Feind der Türkei", Erdogan habe "schon seit Jahren" einmarschieren wollen. Inwiefern dies den tatsächlichen Einmarsch rechtfertige, artikulierte Trump nicht. Vielmehr betonte er: Er habe kein Problem, wenn die Türkei nun "robust" gegen die Kurden vorgehe, wohl aber wenn sie sich "unfair" verhalte.

Der Türkei beschied der US-Präsident konkret, sie möge bei ihrem Einmarsch in Syrien "so human wie möglich" vorgehen, sonst werde er weitere Sanktionen verhängen. Was er genau damit meine, wollte Trump allerdings nicht beantworten: "Wir werden das nach und nach festlegen", sagte er. Dass er die türkische Offensive für "keine gute Idee" halte, hatte er schon zuvor mitteilen lassen.

Auf die Frage, ob das US-amerikanische Verhalten gegenüber den Kurden nicht auch Koalitionen der USA mit anderen Staaten infrage stelle, gab sich der Präsident unbesorgt: "Allianzen sind sehr einfach".

"Schamlos im Stich gelassen"

Unter US-Abgeordneten regt sich derweil weiter Widerstand gegen Trumps Vorgehen – auch unter republikanischen. Der demokratische Senator Chris Van Hollen teilte mit, die Arbeiten an der parteiübergreifenden Resolution würden demnächst abgeschlossen. Van Hollen, aber auch der Republikaner Lindsey Graham übten harsche Kritik an Trump.

Graham, der eigentlich ein enger Vertrauter des Präsidenten ist, schrieb: "Betet für unsere kurdischen Verbündeten, die von der Trump-Regierung schamlos im Stich gelassen wurden. Dieser Schritt stellt die Rückkehr des IS sicher." Van Hollen meinte: "Der IS feiert Trumps Verrat." Trump hatte argumentiert, er wolle die US-Truppen aus den "endlosen Kriegen" zurückziehen. (red, 9.10.2019)