Ob Libra nun kommt oder nicht – eines ist klar. Der Damm ist gebrochen, und immer mehr Unternehmen denken darüber nach, im Zahlungsverkehr mitzuspielen. Notenbanken wollen hier scheinbar zuvorkommen und eine E-Währung andenken.

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Die Idee von Facebook, mit Libra ein eigenes digitales Geld zu schaffen, hat Aufseher, Politiker und Unternehmen aufgerüttelt. Letztere haben wohl darauf gesetzt, dass durch ein digitales Geld, das so leicht zu handhaben ist wie das Verschicken einer SMS und im Wert nicht so schwankt wie Bitcoin und Co, Bereiche wie Onlineshopping oder Buchungsplattformen einen neuen Push erfahren werden.

Aufseher und Notenbanker sind rund um den Globus allerdings rasch nervös geworden. Denn Facebook zählt rund 2,4 Milliarden Nutzer. Setzt sich der Einsatz von Libra durch, würde die Digitalwährung zu einem starken Player im Geldsystem. Damit könnte Libra bzw. Facebook eine Macht bekommen, die bisher nur Staaten obliegt – nämlich die Herausgabe einer Währung.

Hohe Auflagen

Politiker – zuletzt die G7 – haben bereits gefordert, dass Kryptogelder wie herkömmliche Währungen auch den höchsten AufsichtsStandards genügen müssen und die Stabilität des Finanzsystems nicht gefährden dürfen. So sollen Kryptowährungen etwa der Geldwäscherichtlinie unterliegen. In Österreich hat die Finanzmarktaufsicht FMA eine entsprechende Richtlinie bereits erlassen. Ab 10. Jänner 2020 müssen sich Anbieter von Finanzdienstleistungen rund um Kryptowährungen bei der FMA registrieren lassen. Damit setzt die FMA die EU-Regeln der fünften Geldwäscherichtlinie um.

"Die Einbeziehung virtueller Währungen in das Regime zur Prävention der Geldwäscherei und Terrorismusfinanzierung ist einerseits ein wichtiger Schritt im Kampf gegen Geldwäscherei und leistet andererseits einen großen Beitrag dazu, faire Wettbewerbsbedingungen zwischen Anbietern analoger Finanzdienstleistungen sowie Anbietern digitaler Finanzdienstleistungen zu schaffen", sagen die beiden FMA-Vorstände Helmut Ettl und Klaus Kumpfmüller. Zu den Unternehmen, die nun registrierungspflichtig sind, gehören Anbieter von Finanzdienstleistungen für die Ausgabe und den Verkauf von virtuellen Währungen, Dienstleister zur Übertragung von virtuellen Währungen, Handelsplattformen für virtuelle Währungen sowie Anbieter von elektronischen Geldbörsen.

Notenbanken haben aufgrund des Hypes um Kryptowährungen jedoch begonnen, das dahinterliegende technische System, die Blockchain, zu erforschen. Die britische Notenbank gilt hier als Vorreiter. Für interne Studien simuliert das Institut etwa die Ausgabe von Hybridgeld.

Weg aus der Krise

Venezula hoffte ja sogar darauf, durch die Ausgabe des digitalen Petro die Wirtschaftskrise im Land zu mildern. Gelungen ist das nicht. Denn kaum jemand besitzt Petro. Nun denkt Präsident Nicolas Maduro daran, bestehende Kryptogelder für den Zahlungsverkehr zu nutzen. Venezuelas Zentralbank soll hierzu bereits interne Tests durchführen und will prüfen, ob sie Kryptowährungen in ihren Reserven halten kann. Dieser Vorgang zeige, wie verzweifelt das Regime in der anhaltenden Wirtschafts- und Währungskrise sei, kommentierte die Opposition im Lande den Vorstoß. Laut Cointelegraph soll vor allem Bitcoin in Venezuela an Bedeutung gewonnen haben. Um sich vor dem Wertverfall des Bolivar zu schützen, fliehe die Bevölkerung immer mehr in die Kryptomärkte, heißt es.

Mit dem Erwachen der digitalen Währungen ist jedoch zweifellos eine Debatte ins Rollen gekommen. Patrick Harker, Chef der Notenbank von Philadelphia, sagte vor wenigen Tagen in einer Bankenkonferenz, dass an der Einführung einer Digitalwährung von Notenbanken kein Weg mehr vorbei führe. Der deutsche Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) tritt angesichts der Facebook-Pläne für die Einführung eines E-Euro ein. "Ein solches Zahlungssystem wäre gut für den Finanzplatz Europa und seine Einbindung ins Weltfinanzsystem", sagte der Politiker der Wirtschaftswoche. "Wir sollten das Feld nicht China, Russland, den USA oder irgendwelchen Privatanbietern überlassen", so Scholt, der Libra "sehr kritisch" einstuft.

Doch so schnell wird es wohl nicht gehen, dass eine digitale Währung an der staatlichen Souveränität nagt. Auch das zeigt Facebook gerade. Ob des Gegenwinds gerät das Projekt zunehmend unter Druck. Große Partner wie Visa und Mastercard haben dem Projekt bereits ihre Unterstützung entzogen. Der Zahlungsdienstleister Paypal hat sich aus dem Verwaltungsrat der Libra-Projektgesellschaft zurückgezogen. Dass Libra wie geplant 2020 startet, wird damit immer unwahrscheinlicher. (Bettina Pfluger, 11.10.2019)