Als im Jahr 2004 eine neue Distribution die Bühne der Linux-Welt betrat, tat man dies mit großen Ambitionen. Nichts weniger als Linux am Desktop zum Durchbruch zu verhelfen, war das erklärte Ziel. Doch auch wenn Ubuntu fraglos viel zur Verbreitung von Linux in diesem Bereich getan hat, das ursprüngliche Ziel konnte man nie erreichen. Gleichzeitig war die Geschichte der Distribution immer auch mit Kontroversen verbunden: Statt mit anderen zusammenzuarbeiten, begab sich Softwarehersteller Canonical oftmals lieber auf eigene Wege. Auch dass die Ubuntu-Entwicklung nicht zuletzt durch regelmäßige Finanzspritzen von Softwaremilliardär Mark Shuttleworth vorangetrieben wurde, mundete vielen in der Linux-Welt nicht.

Viele dieser Alleingänge hat Ubuntu mittlerweile aufgegeben. So setzt man etwa schon lange wieder auf GNOME statt der Eigenentwicklung Unity als Desktop. Irgendwann musste man sich schlicht eingestehen, dass die eigene Strategie gescheitert war, und statt dem erhofften Alleinstellungsmerkmal vor allem eines blieb: Ein sehr hoher Wartungsaufwand. In einzelnen Bereichen kann sich Canonical zwar solche Parallelismen noch immer nicht ganz ersparen – etwa beim Paketformat Snap, das in direkter Konkurrenz zu dem von anderen Distributionen bevorzugten Flatpak – steht, aber selbst das ist eigentlich kein sonderlich großes Thema mehr. Was allerdings geblieben ist, ist die Neigung Ubuntus zu Entscheidungen, vor denen Open-Source-Puristen zurückschrecken würden. Und das zeigt sich auch wieder bei der neuesten Ausgabe der Software.

Der Desktop von Ubuntu 19.10, in diesem Fall mit dem dunklen Yaru-Theme.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Eoan Ermine ist da

Mit Ubuntu 19.10 "Eoan Ermine" steht nun eine Generation der Linux-Distribution zum Download. Und schon bei deren Installation macht sich eine der zentralen Neuerungen bemerkbar. So wird der proprietäre Grafiktreiber von Nvidia nun direkt auf dem Installations-Image ausgeliefert – etwas, das bei anderen Distributionen ein absolutes Tabu wäre. Immerhin handelt es sich dabei nicht um freie Software. Wie dies rechtlich möglich ist, erklärt Canonical zwar nicht, es ist aber davon auszugehen, dass man schlicht eine Abmachung mit Nvidia getroffen hat.

Was dabei aber auch gesagt werden muss: Während der Symbolwert dieser Änderung groß ist, stellt sie doch für die meisten Nutzer keine große Änderung dar. Immerhin war es schon jetzt so, dass direkt bei der Installation diverse proprietäre Bestandteile – darunter eben auch der betreffende Treiber – auf Wunsch aus dem Netz nachgeladen wurden. Relevant ist dies also vor allem für Installationen, die ohne aufrechte Internetverbindung erfolgen.

ZFS

Doch auch sonst bringt Ubuntu 19.10 durchaus interessante Änderungen. So ist nun möglich, das System auf einer Partition mit ZFS zu installieren. Zur Erklärung: Bei ZFS handelt es sich um ein Dateisystem, das einst Sun für seine Unix-Variante Solaris entwickelt hat, und das damals für viel Furore sorgte. Mit Funktionen wie Atomic Snapshots, Rollbacks oder auch der Möglichkeit mehrer Platten in einer Art RAID-Verbund zu kombinieren wurde es als "Next-Generation-Dateisystem" gehandelt. Gleichzeitig sorgte Sun – und nach dessen Übernahme Oracle – dafür, dass die gewählte Open-Source-Lizenz nicht mit dem Linux-Kernel kompatibel ist. Das hat bis heute eine fixe Aufnahme in den Linux Kernel verhindert.

Neu bei der Installation: Die experimentelle Option, Ubuntu mit ZFS zu installieren.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Bei Ubuntu greift man nun zu einem bekannten Ausweg: ZFS wird über eine Abstraktionsschicht einfach als Treiber außerhalb des Kernel eingebunden. Das gibt es optional schon länger, nun lässt sich dies aber eben auch zur Einrichtung des gesamten Systems verwenden. Das betreffende Feature ist quasi in letzte Minute in die neue Version gerutscht, in der Beta-Version von Ubuntu 19.10 war es jedenfalls noch nicht zu finden. Aber auch sonst betont Canonical, dass das Ganze noch als experimentell anzusehen ist. Für die Nutzer sollen damit neue Möglichkeiten wie das einfache Zurückgehen auf einen früheren Status – also etwa vor dem Einspielen der letzten Updates – möglich werden.

Wozu?

Das ist alles durchaus interessant, trotzdem stellt sich natürlich die Frage, warum Ubuntu gerade jetzt diesen Vorstoß in Richtung ZFS vornimmt. Denn zumindest für die Snapshot-Funktionen gibt es im Linux-Umfeld mittlerweile ähnliche Möglichkeiten Zwar mag sich btrfs noch immer nicht zu jener direkten ZFS-Konkurrenz entwickelt haben, auf die viele gehofft haben. Gleichzeitig gibt es aber auch Projekte wie OSTree, die sichere Rollbacks auch mit traditionellen – und besser getesteten – Dateisystemen ermöglichen. Vor allem aber nutzt Ubuntu von Haus aus noch keine der ZFS-Optionen direkt im System. Künftig soll dann ein Rollback auf einen späteren Stand über den Bootloader zur Verfügung stehen, derzeit muss man all das aber noch manuell über die Kommandozeile vornehmen.

Ein bisschen 32-Bit-Support

Im Vorfeld von Ubuntu 19.10 sorgte noch eine weiter Neuerung für Aufsehen. Wollte Canonical doch ursprünglich den 32-Bit-Support komplett streichen. Die Argumentation für diesen Schritt ist dabei zunächst einmal durchaus verständlich, immerhin würde man sich dadurch erheblichen Wartungsaufwand ersparen – für Bibliotheken und Programme, die kaum mehr genutzt werden. Doch dieser Plan sorgte umgehend für empörte Reaktionen. So ließen sowohl die Entwickler von Steam als auch jene des Windows-API-Nachbaus Wine verlauten, dass sie in solch einem Fall die Unterstützung für Ubuntu komplett beenden würden. Es dauerte nicht lang bis Canonical zumindest ein stück weit zurückruderte. Im Endeffekt werden in Ubuntu 19.10 zwar nicht mehr alle alten 32-Bit-Bibliotheken unterstützt, aber zumindest jene, die viel eingesetzt werden. Damit laufen jedenfalls auch Wine und Steam weiter problemlos.

Auch eine Alternative: Das helle Yaru-Theme.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Ansonsten bringt die neue Version vor allem Detailpflege, und das zeigt schon beim ersten Boot: Dieser ist nun nämlich eine Spur schneller als bei früheren Versionen. Und bei Systemen mit Intel-Grafik wird nun weniger oft die Auflösung geändert – eine Verbesserung, die man von Fedora übernommen hat.

GNOME

Als Desktop setzt Ubuntu auf GNOME 3.34, und damit auf die aktuellste Generation der Software. Diese bringt viele kleinere Verbesserungen für Programme vom Dateimanager bis zum Text-Editor. Zudem ist es in der App-Übersicht nun möglich, neue Verzeichnisse mittels Drag & Drop zu erstellen. Vor allem aber zeichnet sich die neue Desktop-Version durch deutlich merkbare Performance-Verbesserungen aus. Hierfür haben die Entwickler einige Optimierungen an der GNOME Shell und dem Fenstermanager Mutter vorgenommen. Und noch eine Ubuntu-spezifische Verbesserung am Desktop: Im seitlichen Dock werden nun externe Medien direkt angezeigt.

Look

Ein bedeutender Bestandteil der visuellen Identität von Ubuntu ist das Yaru-Theme. Für die neue Version haben die Entwickler einige Detailanpassungen vorgenommen, etwa bei Icons und Buttons. Ursprünglich wollte man dabei gleich auf eine neue Variante mit durchgängig hellem Look wechseln, dieser Plan wurde aber wieder verworfen. So bleibt die Titelzeile weiter dunkel gehalten. Mithilfe von GNOME-Tweaks kann dieser helle Stil aber leicht nachträglich aktiviert werden. Und wem das nicht gefällt, für den gibt es auch einen dunklen Modus von Yaru. All das ist durchaus hübsch gemacht, gleichzeitig werden die Unterschiede zum GNOME-Default-Theme Adwaita aber auch immer geringer.

Als Browser kommt wie gewohnt Firefox zum Einsatz.
Screenshot: Proschofsky / STANDARD

Zu den aktualisierten Softwarekomponenten gehören der Linux Kernel 5.3 sowie Qemu 4.0. Auch am Desktop gibt es natürlich wieder einige neue Versionen, so sind nun etwa LibreOffice 6.3 und Firefox 69 mit dabei.

Download

Ubuntu 19.10 steht von der Seite des Projekts kostenlos zum Download. Erinnert sei daran, dass diese Version nur für wenige Monate mit Updates versorgt wird. Wer eine neue Version mit Langzeit-Support sucht, muss sich bis zum im Frühjahr folgenden Ubuntu 20.04 gedulden. Und natürlich gibt es auch wieder zahlreiche Varianten von Ubuntu mit anderen Desktops, beispielhaft seien hier Kubuntu, Ubuntu Budgie oder auch Xubuntu genannt. (Andreas Proschofsky, 17.10.2019)