Ein Screenshot einer Präsentation der Extremismusforscherin Julia Ebner. Mehr dazu hier.

Foto: screenshot/julia ebner

Die Botschaft des Attentäters von Halle an der Saale hinterlässt keine Zweifel: "Hallo, mein Name ist Anon, und ich glaube, der Holocaust ist nie passiert." So lautet die Einleitung in einem 30-minütigen Video, das er live auf der Streamingplattform Twitch, auf der für gewöhnlich Games gespielt werden, ausgestrahlt hat. Darin zeigt er seine Tat und äußert sich mehrfach antisemitisch, rassistisch und frauenverachtend. Sein Ziel sei, "Anti-Weiße" umzubringen.

Mit "Anon" bezeichnen sich für gewöhnlich Personen in Internetforen wie dem US-amerikanischen 4Chan, wo regelmäßig Hassinhalte aufgrund laxer Moderationsmaßnahmen geteilt werden.

Der Attentäter übertrug seine Tat – aus der Egoperspektive, wie es bei Games oft der Fall ist – auf Twitch als angebliche Aufnahme des Shooters "Counter-Strike". Mittlerweile hat die Plattform das Video entfernt, die meisten sozialen Medien haben versprochen, die Verbreitung der Aufnahme zu unterbinden – mit eher mäßigem Erfolg, wie wenig Rechercheaufwand am Donnerstag zeigte.

Twitch zu den Geschehnissen.

Manifest

In rechtsextremen Foren wird aktuell vielfach ein Dokument verbreitet, bei dem es sich angeblich um ein Manifest des Täters handeln soll. Dieses dürfte echt sein, da seine Ausrüstung im Detail illustriert wird. Gleichzeitig zeigt es, dass der Täter sich im Netz offenbar auf Plattformen rechtsextremer Subkulturen bewegt hat. So nennt er bestimmte "Achievements", Errungenschaften, die er sich von der Tat erhofft – eine davon trägt beispielsweise den Namen "Gleichberechtigung", dafür würde er eine weibliche Jüdin umbringen. Achievements sind eigentlich aus Games bekannt, wo Spieler damit beauftragt werden, bestimmte Ziele zu erreichen.

Diese Gamification als Propagandamittel sei laut der Extremismusforscherin Julia Ebner ein populäres Mittel von Extremisten, um vor allem die junge Generation zu erreichen. Ebner hat in der Vergangenheit im Rahmen ihrer Arbeit verdeckt unter Rechtsradikalen recherchiert. Überhaupt würden rechtsextreme viel mit Memes arbeiten, Hasskampagnen etwa seien oft wie Computerspiele aufgebaut.

Kommunikationskanäle

Unter Rechtsextremen hat sich zum Zweck der Kommunikation eine Vielzahl an Plattformen etabliert. Das Forum 8-Chan, berüchtigt vor allem aufgrund des Attentats von Christchurch, bei dem ein Rechtsextremer 51 Menschen getötet und 50 weitere verletzt hatte, wurde mittlerweile zwar abgedreht – aktuell erfreuen sich etwa Plattformen wie Discord und der Messenger Telegram besonderer Popularität in der Szene. In der Vergangenheit war das sonst weniger genutzte Google+ ein beliebter Treffpunkt (vor allem deutschsprachiger) Neonazis, seit der Schließung sind solche Gruppierungen aber zu einem großen Teil auf Discord ausgewichen. Neben dem zuvor erwähnten Forenanbieter 4Chan tauchen auch immer wieder kleinere Foren auf, die zeitweise genutzt werden.

Sellner: "Mächte und Eliten"

Einer, der das rechtsextreme Online-Milieu in den vergangenen Jahren stark geprägt hat, ist Martin Sellner. Die Youtube-Videos des Anführers der Identitären gelten als Anlaufstelle für den Einstieg in die Szene. Sellner setzt auf die Verbreitung der Verschwörungstheorie des "Bevölkerungsaustausches", die Antifeminismus, Antisemitismus und Rassismus vereint. Eine Theorie, die auch der Attentäter von Christchurch als Rechtfertigung für seine Tat genannt hat. Vor seinen Morden spendete er 1.500 Euro an Sellner. Vom Anschlag in Halle distanziert sich Sellner, stellt aber in den Raum, dass "Mächte und Eliten" hinter dem Terrorakt stecken könnten, um "das rechte Lager" zu kriminalisieren. (Muzayen Al-Youssef, Markus Sulzbacher, 10.10.2019)