In Wien sind alle Spezialeinheiten im Einsatz.

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In Halle scheiterte der Angreifer an der Tür einer Synagoge. Wäre er durchgekommen, hätte er wohl noch mehr Menschen umgebracht. In Österreich wurden infolge des Anschlages prompt die Sicherheitsvorkehrungen rund um jüdische Einrichtungen verschärft. Sämtliche Spezialkräfte, darunter Beamte der Wega und der Cobra, Sprengstoffexperten und Polizeidiensthunde sind in Wien im Einsatz. Schon zuvor wurde der Gebäudeschutz verstärkt, um die jüdische Gemeinschaft am Feiertag Jom Kippur zu schützen. Auch das Fußball-EM-Qualifikationsspiel Österreich gegen Israel am Donnerstag findet unter erhöhter Polizeipräsenz statt. Die Spieler der israelischen Mannschaft sollen auf all ihren Wegen von Polizeikräften begleitet werden, hieß es vorab von einem Sprecher der Landespolizei Wien.

Antisemitisch motivierte Attentate von derartigem Ausmaß wie jenem in Halle liegen in Österreich Jahrzehnte zurück – 1981 forderte ein Anschlag zweier Attentäter auf die Synagoge in der Wiener Seitenstettengasse drei* Tote, einer davon war ein Täter, vier Jahre später warfen drei Terroristen eine Handgranate in die wartende Menge beim Check-in für einen Flug nach Tel Aviv, drei* Passagiere und ein Täter wurden getötet. "Aus dieser Situation heraus haben wir schon damals begonnen, Augenmerk auf die Sicherheit unserer Gemeinde zu legen", sagt Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien (IKG). Die IKG arbeite mit Innenministerium, Polizei und Verfassungsschutz zusammen und investiere zusätzlich in eigene Sicherheitskräfte. Denn: "Ohne Sicherheitsmaßnahmen könnten Eltern ihre Kinder nicht in jüdische Schulen schicken, würden viele Leute nicht in eine Synagoge gehen wollen, weil es sonst zum Anschlag kommen könnte." Es sei Realität, dass ohne diesen Schutz "jüdisches Leben in Österreich nicht vorstellbar wäre".

Antisemitismus in Österreich

Denn antisemitische Tendenzen gibt es auch in Österreich. Im aktuellen Verfassungsschutz bericht ist die Rede von einem "Mobilisierungspotenzial für antisemitische Agitationen". Von insgesamt 1075 politisch-ideologisch motivierten Tathandlungen waren knapp fünf Prozent antisemitisch motiviert. Vier Personen kamen letztes Jahr durch antisemitisch motivierte Tathandlungen zu körperlichem Schaden – im Jahr davor waren es null. Das Forum gegen Antisemitismus zählte 2017 genau 503 antisemitische Vorfälle – doppelt so viele wie drei Jahre davor. Fünf von diesen Vorfällen waren tätliche Angriffe, 51 waren Fälle von Vandalismus.

Eine von der Parlamentsdirektion beauftragte Antisemitismus-Studie zeigt alarmierende Tendenzen: So stimmten in der repräsentativen Umfrage etwa 39 Prozent der Befragten der Aussage "Die Juden beherrschen die internationale Geschäftswelt" zu, 36 Prozent unterstützen antisemitische Aussagen wie: "Juden versuchen heute Vorteile daraus zu ziehen, dass sie während der Nazi-Zeit Opfer gewesen sind".

Das Problem sei, sagt Caroline Kerschbaumer von der Antirassismusinitiative Zara, "dass heute vieles salonfähig wurde". Auch Zara erfasst rassistisch und antisemitisch motivierte Vorfälle, Antisemitismus sei "schon lang und konstant ein Thema, dass leider für viele Menschen zum Alltag gehört", so Kerschbaumer. Sie erinnert daran, dass diesen Frühling die Bilder von Holocaust-Überlebenden, die am Wiener Ring ausgestellt waren, zerschnitten und beschmiert wurden. "Das ist natürlich in der Massivität nicht zu vergleichen, aber es zeigt, dass da Gewaltpotenzial da ist." (Gabriele Scherndl, 10.10.2019)