Der einst gefeierte Kunstberater Helge Achenbach strauchelte über "frisierte" Rechnungen für vermögende Klienten. Er wurde zu vier Jahren haft verurteilt und kam im Sommer 2018 frei. Der ehemalige Millionär hat nun zu malen begonnen.

Foto: Kultur ohne Grenzen e.V., Yahia Alselo

Die vier Jahre Haft haben bei Helge Achenbach in vielerlei Hinsicht Spuren hinterlassen. Vorhofflimmern etwa, der "Knast" sei ihm förmlich ans Herz gewachsen, lautet seine Diagnose. Zur Abwechslung gab er den "Knackis" Kunstgeschichte-Unterricht. Mit offenen Mündern seien sie angesichts Leonardo da Vincis "Mona Lisa" oder Andy Warhols "Marilyn" dagesessen. Es kam, wie es irgendwie kommen musste: Ein russischer Mithäftling schlug eine "Entführung" der Mona Lisa vor, seine Gang würde sich gerne darum kümmern, schildert der 67-Jährige lachend.

Der STANDARD traf den einst international bestens vernetzten Kunstberater am Sonntag zum Frühstück. Statt an Champagner, nippte er Pfefferminztee. Im Plauderton lässt er fünf Jahrzehnte seiner Vita in unterhaltsamen Anekdoten Revue passieren, vieles davon wird in seinen Bekenntnissen nachzulesen sein, die kommende Woche unter dem Titel "Selbstzerstörung" im riva-Verlag erscheinen. Bereits im Vorfeld sorgt die Publikation für einige Nervosität in der Branche.

Tricksereien

Im Gespräch erzählt Achenbach von seinen Verbindungen zu Wien und zur Albertina oder vom vermasselten Ankauf der Sammlung Essl. Um die Causa, die zu seiner Verurteilung führte, geht es auch. Bis 2014 hatte er Unternehmen wie IBM, Allianz, Telekom oder Audi und Mercedes-Benz beim Aufbau von Sammlungen beraten und nebenher auch Millionären und Milliardären Werke weltberühmter Künstler vermittelt, wie manch andere die redensartlichen Wurstsemmeln. Dann flogen Tricksereien in Form manipulierter Rechnungen auf. Der Fall war tief: Sein einstiges Vermögen, samt Warenlager und zweier Villen ist futsch, sein Imperium an Kunstunternehmen und Restaurants zerschlagen.

Geblieben ist ein Schuldenberg von mehr als 20 Millionen Euro. Neben den alten maßgefertigten Schuhen steht jetzt auch Billigware im Schrank. Statt mit dem Bentley von Joseph Beuys ist er nun mit einem VW-Transporter unterwegs. Die Zeit von "Feinkosthäppchen und Sternerestaurants" sei vorbei, nun sei er Kunde des deutschen Diskonters Aldi, erzählt er mit einer gewissen Koketterie.

Ungereimtheiten

Denn Aldi war der Anfang vom Ende seiner schillernden Laufbahn als "Art-Consultant", einen Berufsstand, den er quasi erfunden hatte. Nach dem Tod des Aldi-Erben Berthold Albrecht stieß seine Witwe auf Ungereimtheiten und erstattete im April 2014 Strafanzeige. Der Vorwurf: Sie seien bei Kunst- und Oldtimerankäufen im Wert von rund 120 Millionen Euro von Achenbach um bis zu 23 Millionen betrogen worden.

Satt der vereinbarten Vermittlungsprovision von fünf (Kunstwerke) bzw. drei (Oldtimer) Prozent auf Basis der jeweiligen Einkaufspreise ihres Consultants, habe Achenbach Dokumente zu seinen Gunsten "frisiert". Der Anklage wegen Betruges, schwerer Untreue und Urkundenfälschung, folgte die Verurteilung.

Dabei war dies nur einer von mehreren Prozessen. In einem anderen ging es um gleichartige Vorwürfe der Gebrüder Viehof (ehemals "Allkauf"-Warenhauskette) und einem mit rund zwei Millionen Euro bezifferten Schaden. Im Mittelpunkt stand dabei ein 58 Aquarelle und sieben Gemälde umfassendes "Remix"-Ensemble von Georg Baselitz, das seit 2007 und vorläufig bis 2022 als Dauerleihgabe in der Albertina gastiert. Zwischendurch reisen einzelne Werke für Ausstellungen rund um den Globus.

Dem Museum stattete Achenbach nun einen Besuch ab, die Dürer-Ausstellung sei fantastisch, so sein Urteil. Dort sei ja nun die Sammlung Essl gelandet, korrekt? Tja, der fast schon eingetütete Deal scheiterte leider. Seiner Idee nach sollte die umfangreiche Sammlung im Essl-Museum erhalten bleiben; er war mit Karl-Heinz Essl schon in Verhandlungen: ein Viertel sollte verbleiben, für den Rest der Sammlungsanteile Investoren motiviert werden.

Untersuchungshaft

An einem Vormittag im März 2014 schrieb er seinen Top-50-Kunden ein Mail: "Frick, Burda, etc.", erinnert sich der mittlerweile 67-Jährige. "Innerhalb von vier oder fünf Stunden knallten die ersten Zusagen in Größenordnungen von fünf oder zehn Millionen Euro rein". Am späteren Nachmittag meldete sich "einer der reichsten Männer aus Deutschland, der die Sammlung komplett übernehmen wollte". Es ging um 150 Millionen Euro. Dazu kam es nicht mehr: Am Tag vor dem Geschäftstermin wurde Achenbach am Flughafen Düsseldorf verhaftet und kam in Untersuchungshaft.

Erst im Sommer 2018 kam er frei und fand bei Günter Wallraff Unterschlupf. Nun lebt er mit dem legendären deutschen Investigativ-Journalisten in einer Art Wohngemeinschaft. Wallraff fungiert als Art Bewährungshelfer, sinniert Achenbach. In den gemeinsamen "Küchengesprächen" geht es immer wieder um Kunst und die Schulden. Beruflich ist der Kunstberater für einen Verein im Einsatz, der sich um verfolgte Künstler kümmert. Zwischendurch hält er Vorträge zum Thema "Scheitern". Anfragen einstiger Kunden häufen sich. Die aktuellste Verführung? Ein Projekt in Mallorca, in das ein saudischer Prinz 50 Millionen Euro investieren will. Der ehemalige Kunstberater wittert eine satte Provision, Wallraff hofft, dass es gar nicht zustande kommt. Dem"Bewährungshelfer" ist Achenbach noch nicht demütig genug. (Olga Kronsteiner, 11.10.2019)