Dass der türkische Präsident Tayyip Erdoğan mit hohem Einsatz spielt, ist nichts Neues. Trotz massiver Drohungen aus Washington hat er den Erwerb des russischen Raketenabwehrsystems S-400 durchgedrückt – und dafür bisher keine Konsequenzen tragen müssen. Stattdessen hat US-Präsident Donald Trump der Einrichtung der Sicherheitszone in Nordsyrien zugestimmt, die Erdoğan aus militärischen Gründen schon lange fordert. Der Korridor trennt die türkische PKK von ihrem syrischen Ableger YPG. Es ist für die Armee die dritte Operation dieser Art – und den Großteil der Arbeit dürften ohnehin Verbündete der Freien Syrischen Armee übernehmen.

Der türkische Präsident Tayyip Erdoğan.
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Der außenpolitische Plan hat auch eine innenpolitische Seite. Jahrelang hatte Erdoğans AKP die Flüchtlinge aus dem Nachbarland willkommen geheißen. Trotz diverser Probleme gebührt ihr Anerkennung für diese humanitäre Leistung. Seitdem aber das Land unter einer Wirtschaftskrise leidet und die Opposition Stimmung gegen die Flüchtlinge macht, ändert die Regierung ihre Politik.

Auf einmal werden an sich legitime Sicherheitsinteressen herangezogen, um ethnische Umsiedlungen zu rechtfertigen: Die Türkei ist entschlossen, in dem Grenzgebiet ein bis zwei Millionen syrische Bürgerkriegsflüchtlinge, vor allem sunnitische Araber, anzusiedeln. Sie ignoriert die Tatsache, dass dort viele Kurden leben, und handelt über die Köpfe der Betroffenen hinweg. Die meisten Flüchtlinge wollen die Türkei nicht verlassen und sich fernab ihrer Heimatorte niederlassen.

Mit der Operation "Friedensquelle" will Erdoğan das Flüchtlingsproblem im eigenen Land gleich mitlösen. Damit geht er das Risiko ein, neue Fluchtursachen zu schaffen, die die Region auf Jahrzehnte prägen können. All dies geschieht auf den Rücken von Millionen Menschen, die so zum Spielball seiner rücksichtlosen Pläne werden. (Philipp Mattheis, 10.10.2019)