Die Vorarlberger Schnellbahnzüge reißen eine ordentliche Verspätung auf. Die von der ÖBB bei Bombardier bestellten Elektrotriebzüge sollten eigentlich seit April 2019 im Nahverkehr im Einsatz sein. Nun wird es auch aus dem Einsatz ab Fahrplanwechsel im Dezember nichts.

Im Testbetrieb hätten die Talent-3-Züge endlich funktioniert, nun wird an technischen Gutachten gearbeitet, die bei der Eisenbahnbehörde im Verkehrsministerium vorzulegen sind. Genügen sie der Behörde, stehe der Erteilung einer Betriebsgenehmigung nichts mehr im Wege, hofft man beim kanadischen Bahnausrüster Bombardier und bei Auftraggeber ÖBB-Personenverkehr gleichermaßen.

Offizielle Stellungnahme zu den Gründen für die Verzögerung waren am Donnerstag nicht zu erhalten.

Dem Vernehmen nach spießt es sich bei der Betriebssoftware für die neu entwickelten Antriebsstränge, mehrere Tests mussten wiederholt werden. Immerhin die 21 Triebfahrzeuggarnituren seien in der Zwischenzeit fertig, sie sollen ab Anfang April Zug um Zug auf Schiene kommen, heißt es.

Interesse an Nachtzügen der ÖBB

Auf Interesse in Europa stoßen die ÖBB-Nachtzüge. Im Lichte des Klimawandels habe die Niederländische Staatsbahn (NS) Interesse an einer Zugverbindung pro Tag von der deutsch-niederländischen Grenze nach Amsterdam signalisiert. NS wird dabei nach Schweizer Vorbild den niederländischen Teil der Zugverbindung Düsseldorf-Amsterdam mitfinanzieren und die Zugführung von der ÖBB übernehmen.

Noch ist die Vergabe ab 2021 nicht offiziell, aber die Weichen seien gestellt, bestätigt man in ÖBB-Kreisen.

Weniger gut geschmiert läuft es bei der Direktvergabe im Nah- und Regionalverkehr durch das Verkehrsministerium. Das Bundesverwaltungsgericht hat die für 15 Jahre (bis 2034) konzipierte Vergabe an die ÖBB (samt Finanzierung von Doppelstockzügen) für die Ostregion gestoppt. Die Direktvergabe eines Verkehrsdienstevertrages über zehn Jahre aber erlaubt – obwohl das Ministerium die Veröffentlichungsfrist für die notwendige Ankündigung verpasst und die Fortschreibung des ÖBB-Nahverkehrsmonopols mit den besonders guten Bedingungen durch eine Vergabe für 15 Jahre begründet hat.

Der ÖBB-Nahverkehr beschäftigt Gerichte und Bahnausrüster. Die neue Vorarlberger S-Bahn soll im April 2020 einfahren. Da aber wirklich.
Foto: Cremer

Nun prüfen die Kläger, Westbahn und Bayerische Oberlandbahn, Rechtsmittel. Chancen räumen Vergaberechtsexperten einer einstweiligen Verfügung beim Bundesverwaltungsgericht ebenso ein wie beim Verwaltungsgerichtshof, wobei dem Gang zum Höchstgericht die Gefahr einer groben Verzögerung innewohnt: Der VwGH könnte die heikle Frage dem Europäischen Gerichtshof vorlegen, wie Beamte des Ministeriums im März in einem Problemaufriss darstellten.

Kein Geld für die Westbahn

Eine Notvergabe Mitte Dezember zwecks Aufrechterhaltung des Pendlerzugverkehrs ist also noch nicht vom Tisch, wenngleich sie unwahrscheinlich erscheint. Das Ministerium hält den Verkehrsvertrag ja für rechtskonform.

Probleme wie diese hätten sich Ministerium und ÖBB ersparen können. Denn die Ministerialbürokratie tüftelte von März bis Juni an einem Plan, die Klage der Westbahn mit einem Vergleich zu beenden. In einer "größeren Sitzung" Ende März wurde ernsthaft erwogen, auch Zugverbindungen der Westbahn gemeinwirtschaftlich zu finanzieren.

Von den gut 730 Millionen Euro, die der Staat jährlich für unrentable ÖBB-Zugverbindungen zahlt, sollten "zehn bis zwölf Millionen" an Westbahn gehen, die dafür 7,3 bis 8,1 Millionen Zugkilometer Fahrleistung erbringt. Laut Finanzprokuratur rechtlich möglich. Gewinner wären die Bahnkunden, heißt es im Sitzungspapier: Sie bekämen Viertelstundentakt Wien-Salzburg zur Hauptverkehrszeit – "ein europaweiter Rekordwert!"

Es kam anders. Der damalige Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) trat den unkonventionellen Plänen – noch vor dem Ibiza-Video – nicht näher, und die von Hans Peter Haselsteiner kontrollierte Westbahn halbiert ihr Zugsangebot mangels Expansionsmöglichkeit im Dezember. (Luise Ungerboeck, 11.10.2019)