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Rudy Giuliani wollte offenbar nach Wien reisen.

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Lev Parnas (links) und Igor Fruman nach ihrer Festnahme.

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Wien – Die österreichische Hauptstadt Wien rückt zunehmend ins Zentrum eines Skandals, der sich in den USA als Seitenast der Ukraine-Affäre entwickelt. Bereits am Mittwochabend waren zwei Vertraute des persönlichen Anwalts von US-Präsident Donald Trump, Rudy Giuliani, in den USA verhaftet worden. Lev Parnas und Igor Fruman wurden festgenommen, als sie am Washingtoner Flughafen Dulles ein Flugzeug in Richtung Frankfurt besteigen wollten. US-Medien berichten aber übereinstimmend, dass ihr eigentliches Ziel Wien gewesen sei. Die zwei Männer hatten demnach ein One-Way-Ticket nach Österreich gebucht. Wie das US-Magazin "The Atlantic" nun mit Verweis auf ein Gespräch mit Giuliani meldet, soll auch dieser selbst geplant haben, am Donnerstagabend in die österreichische Hauptstadt zu fliegen.

Welchen Anlass Giuliani für seine Reise gehabt haben könnte, geht aus den Berichten nicht hervor. In einer Reaktion auf die Festnahmen seiner beiden Vertrauten hatte der Trump-Anwalt noch behauptet, er hätte Parnas und Fruman erst nach ihrer Rückkehr aus Wien wieder treffen wollen – da war allerdings noch nicht öffentlich bekannt, dass auch er selbst plante, nach Österreich zu reisen. Stimmt die Darstellung Giulianis, wäre er also rund 24 Stunden nach den beiden nach Wien gereist, ohne sie in Österreich treffen zu wollen, nur um nach ihrer Rückkehr wieder mit ihnen zusammenzukommen. Zuletzt getroffen hatte er sie kurz vor ihrer Verhaftung zum Lunch im Washingtoner Trump Hotel. Auf spätere Nachfrage des "Atlantic", welchen Zweck seine Reise nach Österreich gehabt haben könnte, antwortete Giuliani nur via SMS. Er könne "derzeit zu dieser Frage keine Stellung nehmen".

"Geschäftlich" in Wien

Parnas und Fruman wird vorgeworfen, gegen US-amerikanische Gesetze zur Wahlkampffinanzierung verstoßen zu haben. Konkret heißt es in der Anklageschrift, sie würden verdächtigt, US-amerikanische Wahlen und Wahlkämpfe im Sinne "zumindest eines ukrainischen Politikers" beeinflusst zu haben. Demnach hätten sie über eine Firma Gelder in Höhe von mehreren Hunderttausend US-Dollar an politische Kampagnen weitergeleitet, deren wahre Herkunft angeblich verschleiert werden sollte. Die Spenden gingen demnach an mehrere Republikaner. Besonderer Nutznießer sei aber ein sogenanntes "Super PAC", also ein Unterstützungskomitee, namens "America First Action" gewesen. Dieses setzt sich für die Wiederwahl Trumps 2020 ein. Nicht-US-Bürger dürfen in den USA nicht an politische Kampagnen spenden. Diese selbst dürfen zudem nichts "von Wert" aus dem Ausland annehmen. Dazu zählen nicht nur Geldspenden, sondern auch andere Formen der Hilfe.

Aus welchem Grund Parnas und Fruman nach Wien wollten, ist unklar. Giuliani wird im "Wall Street Journal" mit den Worten zitiert, die beiden hätten Österreichs Hauptstadt in den vergangenen zwei Monaten "drei bis sechs Mal" besucht. Der Grund sei geschäftlich gewesen.

Kontakte in die Ukraine

Die beiden Männer spielen auch im Ukraine-Skandal um Präsident Trump eine Rolle. Sie stellten Giuliani zwei ehemaligen ukrainischen Generalstaatsanwälten vor. Diese, Wiktor Schokin und Juri Luzenko, sollen sich mit dem Trump-Anwalt über Ermittlungen gegen die Gasfirma Burisma ausgetauscht haben. Dabei ging es auch um den Sohn des möglichen demokratischen Präsidentschaftskandidaten Joe Biden, Hunter Biden.

Donald Trump fordert von der Ukraine Ermittlungen in Sachen Hunter Biden. Dieser saß im Aufsichtsrat von Burisma, während seiner Vater noch Vizepräsident der USA war. Joe Biden soll an der Entlassung Schokins von seinem Posten als Generalstaatsanwalt beteiligt gewesen sein. Trump wirft ihm daher vor, damit seinem Sohn Hunter Ermittlungen erspart zu haben. Tatsächlich hatte neben den USA auch Europa auf die Entlassung Schokins gedrängt, weil dieser zu wenig gegen Korruption getan habe.

Trump hatte im Juni 2019 den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj dazu gedrängt, die zwischenzeitlich eingestellten Biden-Ermittlungen wiederaufzunehmen. Kurz zuvor hatte er Militärhilfen in Höhe von 391 Millionen US-Dollar an die Ukraine suspendiert. Unter anderem deshalb wird ihm vorgeworfen, die Machtbefugnisse seines Amtes zum persönlichen Vorteil genutzt zu haben. Das US-Repräsentantenhaus hat deshalb Untersuchungen eingeleitet, die im Impeachment des Präsidenten enden könnten.

In einer 14-stündigen Pressekonferenz sagte Ukraines Präsident Selenskyj, dass er bereit sei, eine Untersuchung einzuleiten, in der es um jegliche ukrainische Einmischung in die US-Wahlen 2016 gehe. Er leugnet aber, dass Trump versucht habe, ihn zu erpressen.

Absetzung der Botschafterin

Zu Parnas und Fruman gibt es in dieser Causa einen weiteren Zusammenhang. Wie es in der Anklageschrift heißt, sollen die beiden an einen US-Abgeordneten Gelder gespendet haben, der später an einer Kampagne zur Absetzung der US-Botschafterin in Kiew, Marie Yovanovitch, beteiligt gewesen sei.

Dieser wird nicht namentlich genannt, die "New York Times" identifiziert ihn in einem Bericht aber als Pete Sessions, der für die Republikaner im Repräsentantenhaus saß. Dieser hatte tatsächlich 2018 die Absetzung Yovanovitchs gefordert. Tatsächlich entlassen wurde die Diplomatin dann – offenbar auf Betreiben Donald Trumps – Anfang Mai 2019. Wie das "Wall Street Journal" schreibt, soll Giuliani Trump gesagt haben, Yovanovitch würde nicht nur seine Autorität im Ausland untergraben, sondern auch die Ermittlungen gegen Biden blockieren.

Bindende Vorladungen

Parnas und Fruman waren schon vor ihrer Verhaftung auf der Zeugenliste jener Komitees des Repräsentantenhauses gestanden, die zu einem möglichen Impeachment Trumps in der Ukraine-Causa ermitteln. Parnas hätte am Donnerstag, Fruman am Freitag aussagen sollen. Für die kommende Woche haben die Komitees beiden Männern nun eine Subpoena ausgestellt, also eine rechtlich bindende Aufforderung zu erscheinen.

Trump selbst behauptete in einer ersten Reaktion auf die Verhaftungen, "die beiden Gentlemen" nicht zu kennen. Allerdings existieren von beiden Herren Fotos, die sie gemeinsam mit den Präsidenten zeigen. "Es kann sein, dass es Fotos gibt, weil es von mir Fotos mit jedem gibt", sagte Trump dazu. Ein weiteres Bild zeigt Parnas und Fruman gemeinsam an einem Tisch mit Trumps Sohn Don, Jr. Vor Gericht wurden sie am Donnerstag von John Dowd vertreten, einem früheren Anwalt Trumps.

Trumps Beschimpfungen

Kommende Woche soll zudem auch Gordon Sondland, US-Botschafter bei der Europäischen Union, vor dem Komitee aussagen. Es wird davon ausgegangen, dass er Trumps Sache helfen könnte. Er hatte auf eine SMS des führenden Diplomaten und ehemaligen US-Botschafters in der Ukraine, Bill Taylor, geantwortet. Taylor hatte ihm geschrieben: "Ich glaube, dass es verrückt ist, Militärhilfen zurückzuhalten, um Hilfe für eine politische Kampagne zu erhalten." Sondlands Antwort: "Bill, ich glaube, dass du falsch liegst, was die Intention des Präsidenten betrifft. Er hat deutlich gemacht, dass es kein 'Quid pro quo' gibt." Die Antwort Sondlands kam laut "New Yorks Times" nach einem Gespräch mit Trump.

Am Donnerstagabend beschimpfte der US-Präsident die Demokraten wegen des möglichen Amtsenthebungsverfahrens: "Wir haben es mit einigen wirklich kranken und gestörten Leuten zu tun", sagte Trump am Donnerstagabend in Minnesota. "Die Demokraten sind auf einem Kreuzzug, um unsere Demokratie zu zerstören", sagte er bei seinem ersten Wahlkampfauftritt seit Aufkommen der Ukraine-Affäre. Über die Frontfrau der Demokraten, die Vorsitzende des Repräsentantenhauses, Nancy Pelosi, sagte Trump, sie sei entweder "wirklich dumm", "nicht mehr ganz richtig" oder unehrlich. (mesc, red, 11.10.2019)