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Worte sind Schall und Rauch. "Vorbei ist vorbei", sagte einst Walter White zu seinem Schüler und treuen Kochgehilfen Jesse Pinkman. Dieser war während fünf Staffeln "Breaking Bad" hin- und hergerissen, irgendwie doch immer so etwas wie eine moralische Instanz im Gegensatz zum abdriftenden Crystal-Meth-Kocher. Aussteigen war schwierig bis unmöglich. Man spielte ihm übel mit, aber er kam durch. Am Ende war er frei.

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So weit der Rückblick, der am Beginn von "El Camino" in wenigen Minuten erzählt, was bisher geschah. "Breaking Bad" gilt – zu Recht – als beste Serie der Welt, entsprechend hoch sind die Erwartungen an den Nachfolgefilm, der seit Freitag auf Netflix abrufbar ist. Werden sie eingelöst? Vorweg: schon.

Achtung: Es folgen in den nächsten zwei Absätzen SPOILER, wie "El Camino" beginnt. Mehr wird nicht verraten.

"Ich bin raus", sagt Jesse. Man weiß nicht, wie oft er das davor in "Breaking Bad" schon sagte und vorhatte. Aber Mike (Jonathan Banks – happy welcome!), dem er das am Ufer des Flusses stehend sagt, nimmt das ernst und nennt Jesse treffend "Teenage-Rentner". Neu anfangen, das wäre sein Traum, aber wo? "Alaska", schlägt Mike vor. Auch da gibt es Grenzen. "Alles wiedergutmachen." So stellt er sich's vor.

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Rückblenden zeigen, was mit Jesse nach dem Ende von "Breaking Bad" passierte, nachdem er es lebend aus der brutalen Gefangenschaft geschafft hatte, als er rasend vor Freude mit dem Auto – El Camino – davonbrauste und ein Massaker hinter sich ließ. Bei seinen (schrägen) Freunden Badger (Matt L. Jones) und Skinny Pete (Charles Baker) kommt er zunächst unter. Er versteckt das Fluchtauto, isst, schläft, macht sich sauber. Es gibt Axe-Körperspray und Obsession! Doch Jesse ist schwer traumatisiert, in Einblenden sehen wir immer wieder, wie er von Onkel Jacks Gang gequält wurde – physisch und psychisch.

Ganz raus ist Jesse natürlich wieder nicht, sein Leben bleibt ein Minenfeld, das sogar für Reinigungskräfte tödlich wird. Das gute Leben ist so einfach nicht zu haben, das zeigt sich in den nächsten knapp zwei Stunden. Und es ist gut so.

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Denn "El Camino" macht nicht den Fehler, bloßes Fanservice zu sein wie im unsäglichen "Downton Abbey"-Film, und hat nichts von der Sentimentalität eines "Transparent"-Musical-Finales. Es geht um nichts weniger als um das Zu-Ende-Erzählen einer Figur, die noch Zukunft, sprich Potenzial hatte. Jesse hat seine Lektion gelernt. Walter White war am Ende doch ein guter Lehrer.

Vince Gilligan setzt nicht nur auf den tollen Erzählrhythmus aus "Breaking Bad", er schafft eine packende Story, die Optik ist wie in der Serie atemberaubend, jedes Wort sitzt, bei aller Dramatik kommt der Humor nicht zu kurz, das Sounddesign stimmt, und Aaron Paul agiert fantastisch. Paul erhielt drei Emmys für seine Nebenrolle bei "Breaking Bad", und in "El Camino" liefert er eine faszinierende Hauptrolle. Zwei Stunden, die sich auszahlen. (Doris Priesching, 11.10.2019)