Franco Foda gibt den Takt vor. Das gefällt nicht allen.
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Pro: Fußball verlangt Realismus

3:1 gegen Israel, die Qualifikation für die Euro 2020 naht, was will man mehr? Fußball verlangt Realismus. Und Realismus bedeutet aus österreichischer Sicht, dass man in einem entscheidenden Spiel gegen Israel nicht kopflos agiert. Offense wins games, defense wins championships, schon vergessen? Was passiert, wenn man einem Spieler wie Eran Zahavi Platz lässt, durfte man beim Gegentreffer bestaunen. Man hat aus der ersten Begegnung Lehren gezogen, kurzer Reminder gegen den grassierenden Realitätsverlust: Österreich ging in Israel ordentlich baden.

Aber dieser überragende Kader! Da muss man doch wie das Messer durch die Butter fahren! Realitycheck: Valentino Lazaro starrt im San Siro Löcher in den Beton, Aleksandar Dragovic ist in Leverkusen zweite Wahl, und Stefan Ilsanker verschmilzt in Leipzig allmählich mit der Bank. Das alles passiert nicht, weil Österreichs Fußballer den Weltfußball revolutionieren. Die mangelnde Praxis war den Legionären gegen Israel anzumerken. Nein, das Nationalteam ist beileibe kein Wunderteam, es besteht nicht nur aus Fußballgöttern à la Martin Hinteregger.

Und jetzt die gute Nachricht: Trainer Franco Foda weiß mit durchschnittlicher Qualität umzugehen. Er war mit Sturm Graz Meister. Das sagt nicht alles, aber einiges. Zauberfußball bekam das Publikum damals nicht zu sehen. Dafür aber Trophäen. Recht hat, wer gewinnt. Oder um es mit dem deutschen Ex-Nationalspieler Per Mertesacker zu sagen: "Wat woll'n se? Wollen se ne erfolgreiche WM? Wollen se, dass wir ausscheiden und schön gespielt haben?" Kurz darauf war Deutschland Weltmeister.

Österreich wird nicht Weltmeister, auch nicht Europameister. Für diese Prophezeiung benötigt es keinen Nostradamus. Sollte sich das Nationalteam für die Euro 2020 qualifizieren, ist das Plansoll erfüllt. Ein Blick auf die Tabelle verrät: Mit Sicherheitsfußball ist eine Teilnahme kaum noch zu verhindern. Und vielleicht gelingt damit sogar der erste Sieg bei einer Endrunde seit 1990. Wozu also mehr Risiko eingehen als notwendig? Franco, der Kurs stimmt! (Philip Bauer, 11.10.2019)

Kontra: Sicherheitswahn bremst das Team

Franco Foda mag kein Risiko. Das ist nicht verwerflich, so geht es vielen Menschen. Im Sicherheitswahn vergisst der österreichische Teamchef allerdings, einen der Mannschaft angepassten Fußball spielen zu lassen. Nein, eine ängstliche Taktik kann die Gefahr einer Niederlage nicht minimieren. Sie kann eine goldene Generation aber Jahre und Erfolge kosten. Der 3:1-Sieg gegen Israel hat gezeigt: Mit Mut und Pressing wäre Österreich besser bedient. Diese Partie hätte niemals auf Messers Schneide stehen dürfen.

Das Unglück begann wie so oft mit der Aufstellung. Gegen einen in allen Belangen unterlegenen Gegner zwei Sechser aufzubieten, die ihre Kernkompetenz in der Defensive haben, ist eine weiße Flagge. Und dann auch noch diese Taktik. Verwaltung, kein Risiko, nur kein Pressing. Sichern, querspielen, zurückspielen. Braucht jemand Hilfe beim Einparken, möge er sich an Julian Baumgartlinger wenden. Der könnte zwar ganz anders, durfte sich am Donnerstagabend aber offensichtlich nur nach hinten orientieren.

Angesichts der vielen Kicker mit Red-Bull-Vergangenheit wäre das Erfolgsrezept offensichtlich. Österreich könnte von der überdurchschnittlichen Vertrautheit seiner Akteure profitieren, die blutleeren Gegner mit hohem Pressing und zielstrebigen Kombinationen überrennen. In seltenen Fällen übten die Offensivakteure gegen Israel auf eigene Faust Druck auf die Verteidiger aus, sofort geriet der Gegner ins Schwimmen. Reaktion der Obrigkeit? Null.

Dank der traumhaft einfachen Gruppe G reicht wohl das Minimum zur EM-Qualifikation. Das ist nett, aber auch ein Problem. Man darf sich nicht von Siegen blenden lassen. Foda hat schon mutigere Ansätze gezeigt, er überlebt aber auch mit gespenstischen Darbietungen. Dabei wäre jetzt die Zeit, ein Offensivkonzept einzuspielen, um bei der Euro 2020 ernstzunehmenden Gegnern die Stirn zu bieten. Geht es wie gegen Israel weiter, darf man im Sommer bestenfalls auf glückliche Siege hoffen. (Martin Schauhuber, 11.10.2019)