Der äthiopische Premier Abiy Ahmed bekommt den Friedensnobelpreis, eine der renommiertesten Auszeichnungen der Welt. Er bekommt ihn in einem Moment, in dem die Euphorie um den charismatischen Shootingstar bei Bevölkerung und internationalen Partnern schon wieder zu schwinden beginnt. Nicht, dass der Reformer den Preis nicht verdient hätte. Der Friedensvertrag mit dem jahrzehntelangen Erzfeind Eritrea und die Bemühungen, in Äthiopien ein vielgestaltig korruptes und brutales Minderheitenregime zu beenden, haben ihn zu Recht zur Zukunftshoffnung auf dem Kontinent werden lassen.

Der junge Premier steht für Gleichstellungs- und Versöhnungspolitik, die vor allem in der Beziehung zu Eritrea Früchte trug und sein Land aufatmen ließ. Der Wirtschafts- und Modernisierungsboom in Addis Abeba lockte viele Investoren – auch aus Österreich. China hat seine Claims selbstverständlich längst abgesteckt.

Der äthiopische Premier Ahmed Abiy.
Foto: APA/AFP/EDUARDO SOTERAS

Doch der wirtschaftliche und kulturelle Austausch mit Eritrea über die nun offenen Grenzen kommt offenbar nicht in die Gänge. Schon werden Stimmen laut, der Frieden existiere nur auf dem Papier. Äthiopien selbst, in dem auch die Afrikanische Union ihren Sitz hat, ist wieder Schauplatz extremer Gewalt. Ethnische Konflikte um Ressourcen und Land halten weite Regionen des föderalen Bundesstaats im Würgegriff. Es gibt 1,7 Millionen Binnenflüchtlinge.

Schwierige Machtbasis

Abiy hat zwar nach wie vor großes Ansehen in weiten Teilen der Bevölkerung, die großen Erwartungen an ihn haben viele aber schon heruntergeschraubt. Die alten Eliten sind außerdem längst nicht zum Schweigen gebracht, die Machtbasis des jungen Premiers und seiner großteils aus der Diaspora geholten Mitstreiter und Mitstreiterinnen ist schwach und wird immer wieder herausgefordert. Die politische Liberalisierung machte auch den Weg für ethnisch-nationalistische Parteien frei.

Nach einem gescheiterten Staatsstreich im Juni zog der Premier autoritäre Seiten auf und ließ Hunderte von Menschen verhaften. Der Wahltermin im kommenden Jahr, bei dem sich der Regierungschef, der vor eineinhalb Jahren aus dem Nichts ins Amt nachrückte, auch demokratisch legitimieren will, dürfte nicht halten. Der Übergang zur Demokratie in Äthiopien kann noch scheitern.

Ob der Friedensnobelpreis nur ein Symptom einer naiven Hoffnung auf ein Happy End auf dem gebeutelten Kontinent Afrika ist, ist längst nicht ausgemacht. (Manuela Honsig-Erlenburg, 11.10.2019)