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Eliud Kipchoge ist am Samstagvormittag in Wien als erster Mensch einen Marathon unter zwei Stunden gelaufen. Der Kenianer brauchte im Rahmen der eigens für ihn ausgerichteten Ineos 1:59 Challenge 1:59:40,2 Stunden für die 42,195 Kilometer und brach damit eine der letzten Schallmauern der Leichathletik. Als offizieller Rekord gilt die Zeit nicht, da seine Tempomacher wie geplant zwischendurch aus dem Rennen aus- und später wieder einstiegen.

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Manchmal wird Geschichte ganz spontan geschrieben, an Tagen, die keiner kommen sieht. Zum Beispiel taucht unerwartet ein Video auf, das die politischen Verhältnisse eines Landes verändert. Oder es gelingt ein wissenschaftlicher Durchbruch, oder jemand verübt ein einschneidendes Attentat. Manchmal werden historische Tage aber lange aufgebaut, geduldig, präzise, unbeirrbar. So ein Tag war der 12. Oktober 2019, er wird in den Annalen des Sports für immer verewigt sein.

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Eliud Kipchoge ging am 11. Oktober, nachdem kaum jemand je fragen wird, um neun Uhr ins Bett. Um drei Uhr früh wachte er kurz auf, döste weiter, um fünf Uhr war endgültig Zeit, aufzustehen. "Von hier bis 8.15 Uhr waren die schwersten Stunden meines Lebens", sagte der Kenianer. Er hatte viel Zuspruch bekommen, von Radstar Chris Froome bis zum Präsidenten seines Heimatlandes. "Das ist auch Druck", gestand Kipchoge. Er frühstückte Haferflocken.

8.15 Uhr, Reichsbrücke: Start. Die Strecke führte Kipchoge an einer vorher noch begeistert singenden, kenianischen Schulklasse vorbei leicht bergab bis zum Praterstern, von dort sollte er die Pendelstrecke auf der Hauptallee – bis zum Lusthaus und zurück – knapp viereinhalb Mal laufen. Stets innerhalb einer orange markierten Ideallinie, um am Ende auch wirklich die 42,195 Marathonkilometer gelaufen zu sein.

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Es lief alles wie geplant, also Kipchoge schnell, die Tempomacher verlässlich, die Zuschauer zur Strecke. Von 120.000 Fans war die Rede, schon zum für Wiener Verhältnisse doch frühmorgendlichen Start war viel los.

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Das Tempo war von einem Führungsauto exakt vorgegeben, Laser auf dem Boden wiesen den Pacemakern das Tempo. Der beste Marathonläufer der Geschichte lief den schnellsten Marathon der Geschichte mit einer unfassbaren Konstanz. Kilometer 23 bis 28 gelangen allesamt exakt in der angestrebten Zeit von 2:50 Minuten.

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Die Tempomacher bildeten vor Kipchoge ein V, zwei folgten ihm. Die Siebenerteams rotierten zwei Mal pro Runde, und zwar "perfekt", wie der 34-Jährige sagte. "Ich war mir vom ersten Kilometer an sicher, dass ich es schaffe."

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Die Strecke war optimiert, in den Wendepunkten waren leichte Steilkurven eingebaut worden. Um Kilometer 30 schien das Rennen schwieriger zu werden: Kipchoge begann zu lächeln, das deutet bei ihm normalerweise auf Leiden hin. Später befragt, ob es da ein Tief gab, sagte er "stimmt nicht" und lächelte, ganz leidensfrei.

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Was sich da auf der Hauptallee abspielte, war eine gewaltige Laufleistung. Nach 25 Kilometern war Kipchoges Zeit schneller als der offizielle Weltrekord über diese Distanz. Ein Einbruch deutete sich nicht einmal an, die Zeiten blieben konstant. 500 Meter vor dem Ziel war das Führungsauto abgebogen und der Star begann, seine Tempomacher zu überholen: "Das war der beste Moment meines Lebens."

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Kipchoge flog förmlich über die Zielgerade, schrieb mit 19,8 Sekunden Guthaben auf die zwei Stunden Geschichte, klopfte sich stolz auf die Brust. Im Ziel warteten Trainer und Familie, es war laut, es war ausgelassen, die Tempomacher hoben die frischgebackene Legende auf ihre Schultern.

Alle hatten ganze Arbeit geleistet, auch das Organisationsteam des Vienna City Marathons, das in den letzten Monaten wenig Entspannung, aber viel Begeisterung erlebte. VCM-Geschäftsführer Gerhard Wehr war sichtlich ergriffen, Marathon-Chef Wolfgang Konrad sagte dem STANDARD: "Der Druck war enorm, das war sehr emotional heute. Es wird nie wieder passieren, dass jemand als Erster einen Marathon unter zwei Stunden läuft."

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Kipchoge war nach dem Rennen offensichtlich gelöst, zeigte bei der Pressekonferenz Humor, konnte jetzt mit noch mehr Recht einen seiner Lieblingssätze sagen: "No human is limited." Dass das für ihn gilt, hat er bewiesen. (Martin Schauhuber, 12.10.2019)

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In Kenia tanzten die Menschen auf den Straßen.

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Und feierten ihren Helden.

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Grace Sugutt umarmte ihren Gatten stürmisch nach dem Zieleinlauf.

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Der umstrittene Sponsor des Rennens, Ineos-Boss und reichste Mann Großbritanniens Jim Ratcliffe, gratulierte.

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Die zahlreichen Zuschauer zur frühen Morgenstunde unterstützten den Rekordjäger lautstark. Einer vor ihnen war der viermalige Tour-de-France-Sieger Chris Froome, Star des von Ineos gesponserten gleichnamigen Profi-Radteams.

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Kipchoge in Slow Motion

DER STANDARD

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Kipchoge sah auf der Pressekonferenz nach dem Rennen ziemlich relaxt aus. "Ich habe gezeigt, dass es kein Limit gibt, wenn man an sich glaubt." (vet, 12.10.2019)

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