Google kann "nur" dazu verpflichtet werden, bestimmte Suchergebnisse auf seinen europäischen Domains zu entfernen, Facebook dagegen kann dazu verpflichtet werden, rechtswidrige Posts sowie wortgleiche und inhaltsgleiche Postings weltweit zu löschen.

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In zwei aufsehenerregenden Entscheidungen hat der Europäische Gerichtshof kürzlich zu Facebook und zu Google sowie zu unterschiedlichen Arten der Löschung geurteilt. Google kann "nur" dazu verpflichtet werden, bestimmte Suchergebnisse auf seinen europäischen Domains zu entfernen, Facebook dagegen kann dazu verpflichtet werden, rechtswidrige Posts (im Anlassfall wegen Ehrenbeleidigung und Kreditschädigung) sowie wortgleiche und inhaltsgleiche Postings weltweit zu löschen. Aber warum ist das so?

Als "Hosting-Provider" ist Facebook – genauso wie die auf Websites von Tageszeitungen beliebten Internetforen, Wikipedia und andere Social-Media-Anbieter, wie Twitter oder Instagram – für Inhalte nur verantwortlich, wenn es tatsächlich Kenntnis von rechtswidrigen Inhalten hat oder haben müsste und nicht unverzüglich tätig wird, um diese Informationen zu sperren oder zu löschen.

Aufgrund einer gerichtlichen Anordnung muss diese Information daher sofort gelöscht oder gesperrt werden. Wie der EuGH nunmehr urteilt, kann eine solche Verpflichtung aber auch wortgleiche sowie sogar "inhaltsgleiche" Postings umfassen – und das weltweit. Eine solche gerichtliche oder behördliche Löschungsanordnung müsse jedoch genau festlegen, was unter "inhaltsgleich" zu verstehen ist, und darf keinesfalls eine autonome Beurteilung durch den Provider notwendig machen.

Die Erstreckung auf "inhaltsgleiche" Postings führt in der Praxis aber zwangsweise zu einem erheblichen Mehraufwand für die Betreiber der Dienste oder ist überhaupt zahnlos: Selbst ein noch so detaillierter Auftrag eines Gerichts wird immer die Möglichkeit bergen, dass im Rahmen einer automatisierten Suche und Sperre Postings umfasst werden, die gar nicht Ziel der Anordnung sind.

Darunter fallen primär Postings, einschließlich journalistischer Artikel, die kritisch über die fraglichen Geschehnisse/Umstände berichten und daher automatisch dieselben Schlagwörter verwenden.

Zensur verhindern

Um eine derartige Zensur und Einschränkung der Pressefreiheit, aber auch der Meinungsfreiheit hintanzuhalten, müssten zu löschende Postings einzeln von Menschenhand kontrolliert werden. Das wollte der EuGH aber gerade verhindern.

Weiter gefasste Filter würden dagegen dem eigentlichen Zweck zuwiderlaufen. Im Falle von Bildern, vor allem Memes und GIFs, sowie Videos mit rechtswidrigem Inhalt ist es trotz heutiger Technologien fraglich, ob "inhaltsgleiche" Inhalte automationsunterstützt aufgefunden und gesperrt werden können.

Google ist dagegen eine Suchmaschine, die selbst keine Daten speichert, sondern nur Links auflistet. Eine Verantwortlichkeit, wie sie ein Host-Provider hat, scheidet daher aus. Hier greift nur das "Recht auf Vergessenwerden" nach der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dieses ist aber laut dem EuGH auf den Bereich der Mitgliedsstaaten beschränkt.

Somit bleibt es für Google bei der Verpflichtung, beanstandete Suchergebnisse im Rahmen von Personensuchen auf seinen europäischen Domains zu entfernen und Maßnahmen zu setzen, die es verhindern, dass europäischen Nutzern diese Ergebnisse auch auf andere Google-Domains angezeigt werden.

Obwohl das hinter beiden Begehren liegende Interesse ident ist, nämlich die Abrufbarkeit und die unkontrollierte Verbreitung von bestimmten über die betroffene Person verbreiteten Informationen zu verhindern, nimmt der EuGH hier seltsamerweise unterschiedliche Wertungen hinsichtlich der räumlichen Durchsetzungsmöglichkeit vor.

Völlig absurd wird diese Differenzierung im Falle von Bildern mit rechtswidrigem Inhalt, die auf diversen Websites, aber auch in sozialen Medien kursieren: Auf Facebook, Instagram und Twitter sind sie weltweit zu löschen, über die Google-Bildersuche aber über einen simplen VPN-Dienst einfach weiterhin abrufbar.

In der Praxis werden sich die Auswirkungen des Urteils hinsichtlich "inhaltsgleicher" Informationen daher wahrscheinlich aus den beschriebenen Gründen in Grenzen halten, da diese Möglichkeit nur restriktiv eingesetzt werden kann. Hinsichtlich der weltweiten Durchsetzung ist die Entscheidung jedoch ein Meilenstein und sollte die dahingehende Abwägung auch auf das "Recht auf Vergessenwerden" von Suchmaschinen erstreckt werden.(Christian Kern, 14.10.2019)