Deutschlands Innenminister Horst Seehofer will die "Gamerszene" unter Beobachtung stellen. Der Politiker spielt im Keller gerne mit seiner Modelleisenbahn.

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Am vergangenen Mittwoch hat ein 27-Jähriger Rechtsextremist in Halle zwei Menschen erschossen. Der Täter wollte ein Blutbad in einer Synagoge anrichten und hat vor dem Anschlag ein Manifest veröffentlicht, in dem die Rede von sogenannten "Achievements" war. Erfolge beziehungsweise Trophäen, die man von Videospielen kennt. Auch die Tat selbst wurde auf Twitch übertragen. Auf der Plattform zeigen sich Menschen primär beim Spielen, aber auch anderen Aktivitäten wie Kochen, Musizieren und Basteln. Ob und was der Täter gespielt hat, weiß man bislang nicht.

"Gamerszene" unter Beobachtung

Computerspiele rücken durch die abscheuliche Tat trotzdem wieder einmal in den Fokus. Horst Seehofer, Deutschlands Innenminister, sagte etwa, dass man die "Gamerszene" unter Beobachtung stellen müsse, da Spiele seiner Einschätzung nach als Trainingswerkzeug für Anschläge genutzt werden. Rückhalt erhielt Seehofer vom Thüringer Verfassungsschutz-Präsidenten Stephan Kramer. Dieser sagte gegenüber dem "Tagesspiegel", dass "Shooterspiele" als Plattform für Rechtsextremisten eine "wichtige Rolle" einnehmen, innerhalb welcher sich Communitys bevorzugt vernetzen würden.

In Deutschland spielen 34,3 Millionen Menschen. Seehofers Generalverdacht gegenüber diesen Menschen ist eine Chuzpe und zeugt von komplettem Unverständnis des Mediums. Außerdem gibt es keine "Gamerszene". Videospiele werden von Jung bis Alt verwendet, eine homogene Masse ist hier einfach nicht vorhanden. Millionen Menschen nutzen außerdem Shooter und greifen deswegen trotzdem nicht zur Waffe, um andere zu töten.

Debatten sollten sehr wohl geführt werden

Die neu entbrannte Debatte rund um Videospiele weckt Erinnerungen an die Diskussion zu "Killerspielen" rund um die Jahrtausendwende. Bereits vor 20 Jahren waren Games ein bequemer Sündenbock. Anstatt sich mit den wahren Hintergründen auseinanderzusetzen, wurde die Schuld auf "Killerspiele" geschoben. Auch im Fall Halle wird diese Masche erneut angewandt. Anstatt über rechtsextreme Radikalisierung zu sprechen, beruft man sich auf Computerspiele, die an allem schuld seien. So will man sich ein unbequemes Thema und auch eine Diskussion über das eigene Versagen im Umgang mit Rechtsextremismus ersparen.

Auch wenn Seehofers und Kramers Aussagen noch so absurd sind, gibt es trotzdem Debatten rund um das Medium, die geführt werden sollten. Beim Onlinegaming kommt es regelmäßig vor, dass man auf Sexismus, Rassismus und Antisemitismus stößt – und dieser mehr oder weniger ertragen, ja sogar geduldet wird. Sowohl von den Anbietern selbst als auch der Community eines Spiels braucht es hier Gegenmaßnahmen und ein klares Auftreten gegen dieses Verhalten. Diskutabel sind auch die Verbindungen der Spielehersteller mit Waffenherstellern und Armeen sowie das Männlichkeitsbild, das von vereinzelten Spielen propagiert wird.

Zeit, gegen diese Minderheit vorzugehen

Computerspiele machen Menschen nicht aggressiver oder gar zu Mördern – das legt jahrelange Forschung nahe. Videospiele sind außerdem so viel mehr als sinnloses Töten und grundloses Herumgeballere. Die Debatte nach Halle sollte sich also nicht um das Medium selbst und auch nicht um die riesige Masse drehen, die spielt. Vielmehr gilt es, sich kritisch mit einer spielenden Minderheit auseinanderzusetzen und gegen ihren Rassismus und Sexismus vorzugehen, damit ihre Hetze dieses tolle Hobby nicht in ein schlechtes Licht rückt. (Daniel Koller, 15.10.2019)