Die Marktmacht der Internetriesen Google, Facebook und Amazon soll eingedämmt werden.

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In der weltweiten Debatte über den Umgang mit den großen Internetplattformen nehmen zwei Rechtsgebiete eine zentrale Stellung ein: das Wettbewerbs- und das Datenschutzrecht. Im Juli verhängte die US-Wettbewerbs- und Verbraucherschutzbehörde FTC im Rahmen eines Vergleichs über angeblich irreführende Datenschutzbedingungen eine Buße von fünf Milliarden Dollar über Facebook.

Gleichzeitig gab das US-Justizministerium die Einleitung einer Untersuchung der Marktmacht der großen Internetplattformen bekannt. Im September kündigten zahlreiche US-Bundesstaaten Ermittlungen gegen Google und Facebook an. Progressive Präsidentschaftskandidaten wie die Senatorin Elizabeth Warren gehen noch weiter und wollen das US-Kartellrecht nutzen, um Amazon, Facebook und Google zu zerschlagen.

In Europa ist die Situation ähnlich: Die EU-Kommission hat in drei Entscheidungen Bußen von insgesamt 8,25 Milliarden Dollar gegen Google verhängt. Gegen Amazon laufen kartellrechtliche Ermittlungen durch die EU-Kommission und in mehreren Mitgliedsstaaten wegen des Vorwurfs der Behinderung von Wettbewerbern.

Missbräuchliche Datenverarbeitungsbedingungen

Einen anderen Ansatz wählte das deutsche Bundeskartellamt im Februar 2019, als es die Datenverarbeitungsbedingungen von Facebook für missbräuchlich erklärte. Das Amt erblickte in der Verknüpfung von Daten, die von anderen Diensten des Facebook-Konzerns wie Insta gram und Whatsapp generiert werden, mit Daten aus der Nutzung der Facebook-Plattform, einen Ausbeutungsmissbrauch zulasten der Verbraucher.

Ob das Verhalten der großen Internetkonzerne tatsächlich mit den Mitteln des Kartellrechts stärker überwacht werden kann und soll, ist jedoch auf beiden Seiten des Atlantiks eine offene Frage. In den USA könnte insbesondere die konservative Mehrheit im Supreme Court ein kartellrechtliches Vorgehen erschweren.

Deutsches Bundeskartellamt gegen Facebook

In Europa greifen Wettbewerbsbehörden oft zu ungewöhnlichen Mitteln. So leitete das deutsche Bundeskartellamt in der Entscheidung gegen Facebook den Kartellrechtsverstoß daraus her, dass die Datenverarbeitungsbedingungen gegen datenschutzrechtliche Vorgaben verstießen.

Dieser Verstoß sei gleichzeitig auch kartellrechtswidrig, da Facebook als marktbeherrschendes Unternehmen die Möglichkeit habe, Datenverarbeitungs bedingungen einseitig festzusetzen. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat die Wirkungen dieser Entscheidung jedoch ausgesetzt.

Nach seiner Auffassung fehlt der Nachweis eines Kausalzusammenhangs: Die Behörde habe nicht nach gewiesen, dass die Nutzer aufgrund der Marktmacht von Facebook und nicht etwa aus Gleichgültigkeit oder rationaler Apathie in die Datenverarbeitungsbedingungen eingewilligt haben.

Widersprüche im Kartellrecht

In den USA und Europa laufen kartellrechtliche Ermittlungen gegen die Internetriesen Amazon, Facebook und Google.
Illustration: Davor Markovic

Die Auffassung des Gerichts ist konsequent. Ohne hinreichenden Bezug zur Marktmacht erscheint es nicht gerechtfertigt, Verletzungen anderer Normen auch als Verstöße gegen das Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung anzusehen.

Aus praktischer Sicht würde dies schwierige Fragen mit Blick auf das Doppelbestrafungsverbot aufwerfen. Überdies könnte es auch zu Wertungswidersprüchen führen, etwa wenn die Datenverknüpfung zu einer Erhöhung des Outputs oder zur Verbesserung von Produkten führte.

Ein am Ziel volkswirtschaftlicher Effizienz orientiertes Kartellrecht müsste eine solche Verknüpfung erlauben; aus datenschutzrechtlicher Sicht könnte hingegen eine Untersagung geboten sein.

Doch auch dort, wo Wettbewerbs behörden den Vorwurf der Abschottung von Wettbewerbern prüfen, setzt ihnen die Rechtsprechung Grenzen. So erachtete die Kommission im Fall "Google Shopping" die Bevorzugung eigener Preisvergleichsdienste von Google gegenüber Wettbewerberdiensten als missbräuchlich.

Nach der jüngeren Rechtsprechung ist Selbstbevorzugung eines marktbeherrschenden Unternehmens jedoch nicht automatisch missbräuchlich. Nur Verhalten, das geeignet ist, zur Abschottung zumindest ebenso effizienter Wettbewerber zu führen, ist verboten.

Und auch die jüngste Entscheidung "Google Android" zur Bündelung des Play Store mit Google Search und Chrome ist aufgrund ihres Eingriffs in das Geschäftsmodell von Google, Android gratis abzugeben und das Leistungsbündel auf der Werbeseite (Search) zu monetarisieren, kritisiert worden. Ob die Entscheidungen der Kommission vor den EU-Gerichten halten werden, wird sich erst zeigen.

Ruf nach Kartellrechtsreform

Angesichts dieser Herausforderungen schlagen manche Experten mehr oder weniger umfangreiche Reformen des Kartellrechts vor. Ein von der Kommission beauftragter Bericht empfiehlt unter anderem eine Umkehr der Beweislast bei der Bevorzugung eigener Dienste: Marktbeherrschende Unternehmen sollen den Beweis dafür führen, dass solches Verhalten langfristig nicht zur Marktabschottung führt. Ein von der englischen Regierung beauftragtes Gutachten schlägt eine Einschränkung der Rechtsmittelgründe für die Bekämpfung wettbewerbsbehördlicher Entscheidungen vor.

Doch auch derartige Reformen sind nicht ohne Kosten: Sie erleichtern ein Einschreiten von Wettbewerbsbehörden, gehen aber zulasten der Vorhersehbarkeit des Rechts. Für die Effektivität des Kartellrechts ist dies entscheidend. Denn die hohen kartellrechtlichen Geldbußen können das Verhalten von Unternehmen nur dann steuern, wenn im Vorhinein absehbar ist, welches Verhalten sanktioniert wird und welches nicht.

Kein Allheilmittel

Das Kartellrecht ist daher kein Allheilmittel, um tatsächlichen oder vermeintlichen Bedenken in der Digitalwirtschaft zu begegnen. Oft wird ein Einschreiten, wenn überhaupt, auf spezialgesetzlicher Basis vorzuziehen sein. So werden die Datenverarbeitungsbedingungen der großen IT-Konzerne nicht nur vom Bundeskartellamt, sondern immer mehr auch von Datenschutzbehörden aufgegriffen.

Diese machen von ihren neuen, empfindlichen Sanktionsbefugnissen nach der DSGVO Gebrauch: So verhängte die französische CNIL Anfang des Jahres wegen mangelnder Transparenz der Datenschutzerklärungen eine Geldbuße von 50 Mio Euro gegen Google. Dies ist ein ausreichend starkes Schwert; es besteht daher kein Bedarf, hier parallel auch mit dem Kartellrecht einzugreifen.

Auch für Kontrolle der Behandlung von Wettbewerbern vertikal integrierter Plattformen wurden inzwischen durch die Verordnung (EU) 2019/1150 spezialgesetzliche Regelungen geschaffen, die ab Juli 2020 gelten. (Heinrich Kühnert, Nino Tlapak, Wirtschaft & Recht Journal, 17.10.2019)