Der Schlüssel für eine effektivere Klimapolitik wären die Geschäftsordnungsgesetze (GOG).

Illustration: Davor Markovic

Wie immer man das Ergebnis der Nationalratswahl interpretiert:_Der Auftrag für eine Nachschärfung der Klimagesetze erscheint unbestreitbar. Ökologische Anliegen, die Verbesserung des Rechts für Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP), aber auch die mögliche Verankerung von Nachhaltigkeits-Grundrechten in der Verfassung, sollte das Kabinett Kurz II ins Auge fassen – egal, wer die zukünftige Koalition bildet.

Im Kampf gegen den Klimawandel sind alle drei Staatsfunktionen – Justiz, Gesetzgebung und Verwaltung – künftig viel stärker gefragt als bisher. Im Herbst stehen die ersten "Klimaklagen" gegen bereits geltende Gesetze beim Verfassungsgerichtshof an. Doch kann sich der VfGH tatsächlich als Klimagericht etablieren?

Hürden für Klimaklagen

Von Expertenseite gibt es massive Zweifel an der Zulässigkeit von Anträgen, die sich auf das Recht der Allgemeinheit stützen, möglichst ohne schädliche Umweltbeeinträchtigungen zu leben und langfristig gesund zu bleiben.

Nur eine Person, die aktuell und unmittelbar in ihren Rechten – Leben oder Eigentum – betroffen ist, hat eine realistische Chance, ein Gesetz, das direkt in die Grundrechtssphäre eingreift, zu Fall zu bringen.

Die Klimaklagen vor dem Verfassungsgerichtshof haben wenig Chancen auf Erfolg.
Illustration: Davor Markovic

Hingegen kann sich der VfGH, selbst wenn die Richter stärkeres Engagement zeigen wollten, nicht mit Auswirkungen einer verfehlten Steuerbegünstigung – etwa für Flugbenzin oder Diesel – befassen. Es fehlt schlicht an der verfahrensrechtlichen Verknüpfung, die es Einzelnen oder Umweltorganisationen erlauben würde, den VfGH als Umwelt- und Nachhaltigkeitsgericht zu befassen.

Das heißt nicht, dass die Justiz keine Rolle spielt. Gerichte können die bestehenden Gesetze zweifellos umweltfreundlicher auslegen, vor allem das UVP-Gesetz 2000, bei dem bisher nur das Bundesverwaltungsgericht die Rolle eines Umweltschutzgerichts übernommen hat.

Auch wenn die Entscheidung zur dritten Piste des Flughafens Wien in einzelnen Punkten kritikwürdig schien, so war dies doch der richtige justizielle Weg in die Richtung Nachhaltigkeit.

Blick in die Bundesverfassung

Dennoch: Umwelt- und Klimaschutz ist primär nicht die Aufgabe der Justiz, sondern des Gesetzgebers. Das steht so in der Bundesverfassung im BVG Umwelt, das sehr detaillierte inhaltliche Schutzziele vorgibt.

Es scheint aber so, dass die bestehenden Vorgaben nicht ausreichend genutzt werden, um jede gesetzgeberische Maßnahme auch auf ihrer Umweltauswirkung zu überprüfen. Was für die finanziellen Auswirkungen eines neuen Gesetzes längst üblich ist, fehlt für die weittragenden Klimaauswirkungen eines Gesetzes.

Wenn der Gesetzgeber zum Beispiel darauf verzichtet, den CO2-Ausstoß und die Stickoxide, die großvolumige SUVs ausstoßen, bei einer Reform der motorbezogenen Versicherungssteuer (Nova) zu berücksichtigen, sollte der Nationalrat das zwingend begründen müssen.

Dasselbe gilt für den Landesgesetzgeber: Wie kann es sein, dass in Wien, wo für die Parkraumbewirtschaftung immer das Umweltargument herhalten muss, gar keine umweltspezifische Abgabenstaffelung besteht? Warum müssen Kleinwagen und Elektromobile dieselben Parkometerabgaben entrichten wie SUVs mit Achtzylindermotoren und einem Volumen von Kleinbussen?

Es wäre viel leichter, solche unsachlichen Gesetze künftig zu Fall zu bringen, wenn der Gesetzgeber auf Bundes- und Landesebene alle seine Rechtsnormen umweltspezifisch evaluieren müsste.

Aber im Gesetzgebungsprozess kann sich viel zum Besseren ändern.
Illustration: Davor Markovic

Der neu gewählte Nationalrat ist gefordert, diese Ziele parteiübergreifend ernst zu nehmen und so weit wie möglich umzusetzen. Das gilt auch für den Bundesrat, in dem die Grünen nach 2017 vertreten blieben, und für die Landtage, in denen sie ebenfalls sitzen.

Aber haben nicht alle Parteien vor der jüngsten Wahl erklärt, dass es künftig Konsens über den Klimaschutz geben muss? Bald stehen Landtagswahlen in Vorarlberg, Steiermark, Burgenland und Wien an, in Niederösterreich werden die Gemeinderäte neu gewählt.

In all diesen Wahlkämpfen müsste der Umweltschutz eine zentrale Rolle spielen. Schließlich haben auch Landesmaterien – etwa Naturschutz, Luftreinhaltung oder Tierhaltung – wesentliche Auswirkungen auf die Umwelt.

Veränderte Geschäftsordnung

Vor allem aber müssten Umweltaspekte stärker im Gesetzgebungsverfahren beachtet werden, bei den Ausschussberatungen genauso wie bei Plenarbeschlüssen. Die Umweltverträglichkeit und Klimafolgen eines Gesetzes müssen berücksichtigt und bewusste Unterlassungen begründet werden. Der richtige Ort, um dies zu regeln, ist das Geschäftsordnungsgesetz (GOG) des Nationalrats und die entsprechenden Regeln im Bundesrat, den Landtagen und den Gemeinderäten.

Das GOG enthält, was wenig bekannt ist, bereits jetzt relevante Vorschriften, etwa die Verpflichtung des Nationalrats, sich mit parlamentarischen Bürgerinitiativen und Petitionen zu befassen. Diese sind viel einfacher ins Parlament zu bringen als Volksbegehren. Sie können gemäß §§ 100 ff GOG auch von einzelne Abgeordnete betrieben werden.

Die Möglichkeit, sich als Umweltkammer zu profilieren, hat auch der Bundesrat. Was wenig bekannt ist: Es braucht nur ein Drittel der dortigen Mandatare, um einen Gesetzesantrag zu formulieren. Dies könnte etwa im Sinne der Umwelt und des Klimaschutzes geschehen. Das wurde bisher nicht genutzt.

Stattdessen begnügt sich der Bundesrat mit der bequemen Funktion als weniger wichtige Kammer, die Gesetzesvorhaben bloß aufschiebt oder höchstens bei Einschränkungen von Landeskompetenzen aktiv wird. Angesichts der Gefahren, die durch den Klimawandel auf uns alle zukommen, ist dies einfach nicht genug.

Die Bundesverfassung gibt es her

Falls die Abgeordneten von National- und Bundesrat Zweifel hegen, wie weit sie gehen können, um bei umweltrelevanten Gesetzen Österreich zu einem Klima-Musterland zu machen, sollten sie sich die Ziele der beiden Bundesverfassungsgesetze Umwelt und atomfreies Österreich anschauen.

Diese galten bisher nur für UVP-pflichtige Vorhaben als relevant. Aber jedes Gesetz, das mögliche Auswirkungen auf Menschen, Tiere, Pflanzen und deren Lebensräume; auf Boden, Wasser, Luft und Klima; auf die Landschaft und/oder auf Sach- und Kulturgüter hat, muss demnach künftig in einer Umweltrelevanz bereits vom Gesetzgeber selbst begründet werden.

Und es muss auch in den Materialien dargelegt werden warum bestimmte Maßnahmen nicht erfolgen. Dazu zählen die Abschaffung der Privilegien für den Flugverkehr und das Ende der – indirekten – Förderung von SUVs im Stadtverkehr.

Dies lässt sich mit einer Anpassung der Geschäftsordnungsgesetze erreichen. Geschieht das nicht, bleibt die Möglichkeit eines Volksbegehrens, um eine UVP für alle Gesetzgebungsmaßnahmen einzuführen. Der Widerstand dagegen wäre groß. Aber wie sonst soll die Klimawende in Österreich realisiert werden? (Gerhard Strejcek, Wirtschaft & Recht Journal, 17.10.2019)

Foto: Christian Fischer

Gerhard Stejcek lehrt Staats- und Verwaltungsrecht an der Universität Wien.