Es ist dieser Tage so viel passiert in der Welt des Sports, dass man sie dereinst vielleicht als wegweisend betrachten wird. Viele Menschen fühlen sich tatsächlich weggewiesen, um nicht zu sagen: abgestoßen vom Sport. Andere wiederum begeistern sich plötzlich.

Was es da nicht alles zu bestaunen gab. Man denke nur an die unglaublichen Extreme, für die die Leichtathletik gesorgt hat. Eliud Kipchoges Unterzweistundenmarathon im Wiener Hauptalleelabor haben viele noch vor Augen – zweifelsohne eine tolle und gewissermaßen auch zu Recht bejubelte Leistung in sportlicher wie werblicher Hinsicht. Der mitternächtliche Frauen-WM-Marathon, in dem bei gut dreißig Grad Celsius und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit glücklicherweise niemand zu Schaden oder gar zu Tode kam, ist fast schon wieder vergessen. Dabei liegen die Wiener Hauptallee und die Corniche in Doha gar nicht so weit auseinander, wie man vielleicht glauben möchte.

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Eliud Kipchoge auf der Prater Hauptallee.
Foto: REUTERS/Leonhard Foeger

Sportswashing ist da wie dort der passende Begriff, er benennt die Imagepolitur durch Einsatz finanzieller Mittel im Sport. In Wien war es ein wegen seines Hangs zur Fördermethode Fracking umstrittener britischer Konzern (Ineos), der Millionen lockermachte, um positive Schlagzeilen zu lukrieren. Katar gab das perfekte Vorbild ab. Das Land, etwas kleiner als Oberösterreich, veranstaltet eine WM nach der anderen (Handball, Turnen, Rad, LA), den Gipfel stellt die Fußball-WM 2022 dar. Immerhin wird der Weltmeister kurz vor Weihnachten, also bei erträglichen Temperaturen und in wohl ausverkauften Stadien, ermittelt. Bleibt die Tatsache, dass auf den Stadionbaustellen schon mehr als 1400 Gastarbeiter zu Tode gekommen sind – bei Unfällen oder aus Erschöpfung wegen der Hitze.

Wegschauen und profitieren

Bei der Leichtathletik-WM in Doha blieb das Stadion tagelang leer ("Katarstimmung"), erst bei Gratiseintritt strömte Publikum herbei. Man fragte sich, wieso die Veranstalter, die Unsummen investiert hatten, um den WM-Zuschlag zu erhalten, überhaupt Karten verkaufen wollten – Leichtathletik interessiert in Katar genau gar niemanden. Man fragte sich, wieso die WM im September beginnen musste – wenn im Fußball sogar die großen Ligen im Dezember pausieren, damit dann für die WM Zeit bleibt.

Man arrangiert sich, man schweigt, man schaut weg, man profitiert. Für die Stadt Wien wie für den Vienna City Marathon war Kipchoge ein Glücksfall: weltweite Werbung, noch dazu kostenlos. Natürlich haben sich der Bürgermeister und der Marathon-Organisator gehütet, ein kritisches Wort über Ineos zu verlieren.

Wohin kritische Worte führen, hat kürzlich ein ganz anderes Beispiel gezeigt. Da drohte China, das Unsummen in die nordamerikanische Basketballliga NBA investiert, mit dem Ende des Engagements, weil ein Club-Manager einen Pro-Hongkong-Tweet abgesetzt hatte. Und schon ergingen sich die Basketballer in Entschuldigungen. "Moneten statt Meinungsfreiheit": Der Titel brachte es auf den Punkt.

Der nächste spanische Fußball-Supercup soll in Saudi-Arabien ausgespielt werden. Doch wieso sollte ausgerechnet der Sport einer Welt, die Waffen herstellt und verkauft und sich dann über Kriege aufregt, etwas vorhüpfen? Dem einzelnen Fan bleibt wohl nur der Rückzug. Es gibt ja nicht nur die Champions League, sondern auch die Landesliga. Und der Prater, hört man, bietet sogar Wege abseits der planierten Hauptallee. (Fritz Neumann, 14.10.2019)