Allzu viel Neues war von Königin Elisabeth II. in ihrer traditionellen Queen's Speech im Westminster-Palast am Montag nicht zu hören.

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Ist das Ausbleiben von Neuigkeiten schon eine gute Nachricht im Brexit-Poker? Drei Tage vor dem als entscheidend gekennzeichneten EU-Gipfel gab es am Montag von den Hauptbeteiligten in London und Dublin vorsichtigen Optimismus zu hören. Man befinde sich in konstruktiven Gesprächen, es bleibe aber noch viel zu tun, hieß es am Amtssitz des britischen Premierministers in der Downing Street. Eine Vereinbarung sei "möglich", teilte der irische Vizepremier Simon Coveney mit.

Die britische Politik ließ sich durch das Zeremoniell der sogenannten Queen's Speech nur kurzzeitig von der alles überschattenden Brexit-Debatte ablenken. Elisabeth II. war am Montagvormittag in ihrer australischen Kutsche ins Oberhaus gekommen, um dort die Erklärung von Boris Johnsons konservativer Minderheitsregierung zu verlesen.

Die zehnminütige Ansprache enthielt wie angekündigt 22 neue Gesetzesvorgaben; angesichts der Mehrheitsverhältnisse im Unterhaus haben die meisten keine Chance auf Verwirklichung. Es handle sich um eine Farce und eine zynische Wahlkampfmaßnahme der Tories, hielt Labour-Oppositionsführer Jeremy Corbyn dem Premierminister vor.

Anders als von der Opposition gewünscht, enthielt das Gesetzespaket keinen Hinweis auf eine zweite Volksabstimmung. Hingegen war von mehreren neuen Gesetzen die Rede, die das Land auf die Zeit nach dem Austrittstermin Ende des Monats vorbereiten sollen. Dazu passte auch die Ankündigung des Finanzministers Sajid Javid, er werde am 6. November einen neuen Haushalt "für die Zeit nach dem Brexit" vorlegen.

Hält der 31. Oktober?

Dabei gilt das avisierte Datum 31. Oktober mittlerweile selbst unter jenen Experten als unwahrscheinlich, die eine Einigung zwischen dem Vereinigten Königreich und der EU für möglich halten. Zur Begründung führen sie an, das Unterhaus müsse eine Reihe von Gesetzen verabschieden, um für Rechtssicherheit auf beiden Seiten zu sorgen.

Wie in den vergangenen Wochen geht es in den Verhandlungen zwischen London und der EU vor allem um die zukünftige Stellung von Nordirland. Um die innerirische Grenze offen zu halten und damit den Frieden auf der Grünen Insel zu sichern, will der Dubliner Regierungschef Leo Varadkar die britische Provinz in der Zollunion und wichtigen Teilen des Binnenmarktes halten.

Johnson hat bei einem Treffen mit dem irischen Kollegen vergangene Woche immerhin von dem Plan abgelassen, der nordirischen Unionistenpartei DUP ein Vetorecht über die künftige wirtschaftliche Orientierung der britischen Provinz einzuräumen. Anders als von der DUP empfohlen, hatten 56 Prozent der Nordiren für den EU-Verbleib gestimmt; neuere Umfragen legen sogar erstmals eine Mehrheit für die Vereinigung mit der Republik im Süden der Grünen Insel nahe.

Mujtaba Rahman von der Beratungsfirma Eurasia Group hat aus Gesprächen mit diversen Beteiligten erstmals Differenzen zwischen der EU-Kommission und Mitgliedsstaaten, angeführt von Irland, herausgehört. Das liege an der Einzigartigkeit der Situation, in der nur ein "unordentlicher" Kompromiss möglich sei – die Situation an der irischen Grenze passe nun einmal nicht in die normalen Kategorien der auf Präzision bedachten Brüsseler Beamten.

Sondergipfel ante portas

Schon ist in europäischen Hauptstädten von einem Sondergipfel in der kommenden Woche die Rede. Sollte der Brüsseler Gipfel hingegen schon diese Woche einen neuen Austrittsvertrag befürworten, müsste das Unterhaus am Samstag zusammentreten. Dies wäre die erste Sondersitzung am Wochenende seit dem Krieg um die Falklandinseln (Malvinas) 1982.

Die Opposition im Unterhaus hat nämlich den Premierminister gesetzlich dazu gezwungen, spätestens am Samstag in Brüssel um eine Verlängerung der Austrittsperiode anzusuchen, falls nicht bis dahin eine Lösung auf dem Tisch liegt. Johnson will deshalb versuchen, die Zustimmung des Parlaments für eine Einigung zu erreichen. Dies könnte mit den Stimmen von rund drei Dutzend Labour-Abgeordneten gelingen, die Brexit-Wahlkreise vertreten. (Sebastian Borger aus London, 14.10.2019)