Kiffende Schwangere gefährden ihre Nachkommen – so viel war bisher schon klar. Was genau der Cannabiskonsum bei Ungeborenen bewirkt, haben nur Forscher genauer analysiert.

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Von einem bestimmten Standpunkt aus ist Cannabis geradezu ein medizinisches Wundermittel. Krebspatienten insbesondere im fortgeschrittenen Stadium ihrer Erkrankung profitieren sehr von den Inhaltsstoffen der Hanfpflanze. Eine ihrer Substanzen, das Tetrahydrocannabinol (THC), letztlich der berühmteste Inhaltsstoff, der die von vielen willkommenen berauschenden Effekte hervorruft, reduziert Symptome wie Schlafprobleme, Übelkeit und Schmerzen.

Insbesondere Schmerzpatienten profitieren von Cannabinoiden als hilfreiches Werkzeug, um die Schmerzspirale zu durchbrechen. Aber auch Betroffene von multipler Sklerose wissen die Wirkung von Cannabisprodukten zu schätzen. In Österreich können MS-Patienten auf das verschreibungspflichtige Dronabinol (THC) und das ebenfalls rezeptpflichtige Mundspray Sativex zurückgreifen – die einzigen hierzulande legalen Medikamente mit THC-Gehalt.

Nebenwirkungen

So positiv Cannabis zunächst für die Gesundheit bestimmter Patienten auch erscheinen mag, hat THC durchaus auch problematische Auswirkungen, insbesondere auf die Nachkommen jener, die während der Schwangerschaft Cannabis konsumierten. Bereits frühere Untersuchungen konnten nachweisen, dass die Gehirnentwicklung ungeborener Kinder durch den Cannabiskonsum ihrer Mütter beeinträchtigt wurde.

Ein internationales Wissenschafterteam hat nun an Ratten analysiert, welche Prozesse im Gehirn durch den THC-Konsum beeinträchtigt werden. Mehr noch: Die Forscher fanden sogar Wege, wie sich derartige Schäden beheben lassen könnten.

Bisherige Kennzeichen von neuropsychiatrischen Erkrankungen, die mit THC-Missbrauch in Zusammenhang stehen, gehen vermutlich auf ein fehlreguliertes Dopaminsystem zurück. Das Team um Roberto Frau von der Universität Cagliari auf der italienischen Insel Sardinien wollte deshalb herausfinden, inwiefern THC wichtige Dopaminneuronen bereits pränatal verändert.

Dazu verabreichten die Forscher trächtigen Ratten im Verlauf von zwei Wochen täglich THC. Die Dosis entsprach jeweils dem Gehalt einer moderaten Cannabis-Zigarette. Das Ergebnis dieser Experimente war durchaus aussagekräftig: Die männlichen Nachkommen der exponierten Muttertiere zeigten vielfältige molekulare, zelluläre und synaptische Veränderungen, die nachhaltig die dopaminerge Signalübertragung im Gehirn beeinflussten.

Pregnenolon hilft

Außerdem offenbarten die betroffenen Tiere nach ihrer Geburt Verhaltensauffälligkeiten, die sich insbesondere in sensomotorischen Defiziten manifestierten. Überraschenderweise ließen sich diese Störungen behandeln – und zwar mit Pregnenolon, einem in den USA als Arzneimittel zugelassenen Prohormon, das wiederum als ein "Wundermittel" gegen psychische Störungen gilt.

Wolfgang E. Paulus von der Universitätsfrauenklinik Ulm, der nicht an der aktuellen Studie beteiligt war, bestätigt die hilfreiche Wirkung von Pregnenolon: "Das Vorläufermolekül des Sexualhormons Progesteron blockiert in Tierversuchen mit Mäusen und Ratten den Cannabinoid-Rezeptor Typ 1, der unter anderem durch THC aktiviert wird." Ob damit aber die Einflüsse eines Cannabis-Dauerkonsums in der Schwangerschaft beseitigt werden können, müssten erst weitere Untersuchungen beim Menschen bestätigen, schränkt Paulus ein. (Thomas Bergmayr, 15.10.2019)