Zwischen 2000 und 2016 hat sich der Anteil der übergewichtigen Kinder im Alter von fünf bis 19 Jahren fast verdoppelt, betont Unicef.

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Wien/New York – Weltweit ist die Gesundheit von 200 Millionen Mädchen und Buben unter fünf Jahren – das ist jedes dritte Kind in diesem Alter – durch schlechte oder unzureichende Ernährung gefährdet. Die Zahl der Betroffenen im "Bericht zur Situation der Kinder in der Welt" sei alarmierend, erklärte das UN-Kinderhilfswerk Unicef anlässlich des Welternährungstags am Mittwoch.

Der Bericht dokumentiert alle Formen kindlicher Fehlernährung im 21. Jahrhundert und analysiert drei Probleme: Unterernährung, versteckten Hunger durch fehlende Nährstoffe sowie Übergewicht bei Kindern unter fünf Jahren. 149 Millionen Kinder unter fünf Jahren sind demnach aufgrund von Mangelernährung unterentwickelt (Englisch: "stunted"), sprich zu klein für ihr Alter. 50 Millionen sind unterernährt ("wasted"), sprich zu dünn im Vergleich zu ihrer Größe. 40 Millionen sind aufgrund falschen Essverhaltens übergewichtig oder fettleibig. Jedes zweite Kind – 340 Millionen Mädchen und Buben – leidet unter Defiziten wegen fehlender Vitamine und Nährstoffe wie Vitamin A und Eisen.

Fast zwei Drittel der Kleinkinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren erhalten laut Unicef nicht die richtigen Lebensmittel, um ihre körperliche und geistige Entwicklung zu fördern. Somit besteht die Gefahr, dass sich ihr Gehirn schlecht entwickelt und sie später Lernschwierigkeiten haben. Das Immunsystem der Kinder sei geschwächt, wodurch sich das Risiko für Infektionskrankheiten erhöht, die in vielen Fällen sogar zum Tod führen.

Falsche Beikost

"Trotz aller technologischen, kulturellen und sozialen Fortschritte in den letzten Jahrzehnten haben wir eine grundlegende Tatsache aus den Augen verloren: Wenn Kinder schlecht ernährt werden, haben sie ein schlechtes Leben", sagt Unicef-Exekutivdirektorin Henrietta Fore. "Millionen Kinder ernähren sich ungesund, weil sie einfach keine andere Wahl haben. Die Art und Weise, wie wir Mangelernährung verstehen und bekämpfen, muss sich ändern: Es geht nicht nur darum, dass Kinder genug zu essen haben; es geht vor allem darum, dass sie das Richtige zu essen haben."

Die Fehlernährung beginnt bereits im Babyalter. Nur etwa 42 Prozent aller Kinder unter sechs Monaten werden ausschließlich gestillt, eine wachsende Zahl an Babys wird mit Milchpulver gefüttert. In Ländern mit mittlerem Einkommen wie Brasilien, China und der Türkei hat der Verkauf von Babymilchpulver zwischen 2008 und 2013 um 72 Prozent zugenommen. Der Grund ist laut Unicef "unangemessenes Marketing" sowie schwache Programme, um das Stillen zu fördern.

Auch wenn rund um das Alter von sechs Monaten damit begonnen wird, dass Kinder feste Nahrung zu sich zu nehmen, erhalten viele von ihnen die falsche Beikost. Im weltweiten Durchschnitt bekommen fast 45 Prozent der Kinder zwischen sechs Monaten und zwei Jahren weder Obst noch Gemüse zu essen. Fast 60 Prozent essen weder Eier und Milchprodukte noch Fisch oder Fleisch.

Fastfood und Softdrinks

Im späteren Leben seien dann eine Fülle von ungesunden und industriell stark verarbeiteten Lebensmitteln wie Fastfood und zuckerhaltige Getränke in Städten und auch in abgelegenen Dörfern durchaus zu bekommen, erklärt Unicef. In Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen konsumieren bereits 42 Prozent der Schüler im Jugendalter mindestens einmal täglich einen zuckerhaltigen Softdrink, 46 Prozent essen mindestens einmal pro Woche Fastfood. In Industrieländern ist der Anteil sogar auf 62 Prozent bei den Getränken und 49 Prozent bei Fastfood gestiegen.

Somit nahmen auch Übergewicht und Fettleibigkeit bei Kindern und Jugendlichen weltweit zu. Zwischen 2000 und 2016 hat sich der Anteil der übergewichtigen Kinder im Alter von fünf bis 19 Jahren fast verdoppelt. Im Vergleich zu 1975 sind heute zehnmal so viele Mädchen und zwölfmal so viele Buben übergewichtig.

Besonders von Unter- und Fehlernährung betroffen sind Kinder und Jugendliche der ärmsten und am meisten benachteiligten Gemeinschaften. In den ärmeren Haushalten nimmt nur jedes fünfte Kleinkind zwischen sechs Monaten und zwei Jahren die abwechslungsreiche Nahrung zu sich, die es für ein gesundes Wachstum braucht. Auch in wohlhabenden Ländern wie Großbritannien ist der Anteil der übergewichtigen Kinder in den ärmsten Regionen mehr als doppelt so hoch wie in den reichsten.

Folgen des Klimawandels

Der Unicef-Bericht zeigt auch, dass klimabedingte Naturkatastrophen schwere Ernährungskrisen zur Folge haben können. Dürren sind für 80 Prozent der Schäden und Verluste in der Landwirtschaft verantwortlich. Das hat dramatische Auswirkungen darauf, welche Lebensmittel Kindern zur Verfügung stehen, sowie auf Qualität und Preise dieser Lebensmittel.

"Wir verlieren Boden beim Kampf um gesunde Ernährung", sagt Fore. "Das ist kein Kampf, den wir alleine gewinnen können. Regierungen, Privatwirtschaft und Zivilgesellschaft müssen die Ernährung von Kindern priorisieren und zusammenarbeiten, um die Ursachen ungesunder Ernährung in all ihren Formen anzugehen." (APA, 15.10.2019)