Nicht alle Wiener Waste-Watcher sind wie hier als solche auch erkenntlich, viele der Gemeindebediensteten sind in Zivil unterwegs und agieren erst, wenn der Müll produziert ist.

Foto: Regine Hendrich

Wien – Beim Prozess gegen Jose M., dem versuchte schwere Körperverletzung und Widerstand gegen die Staatsgewalt vorgeworfen werden, kann man einiges über die Männer und Frauen lernen, die ein Auge auf die Sauberkeit der Bundeshauptstadt haben. Seit 2008 gibt es in Wien die gemeindeeigenen "Waste-Watcher", am 7. Mai soll sich der 59-Jährige in einem Park mit zwei von diesen angelegt haben.

Der Mexikaner, der seit 22 Jahren in Österreich lebt, erzählt Richterin Petra Poschalko die Geschichte so: "Ich bin im Park auf einer Bank gesessen und habe ein Bier getrunken und Chips gegessen." Plötzlich seien zwei Männer in Zivil gekommen und hätten ihn aufgefordert, Strafe zu zahlen. Sie hätten sich weder ausgewiesen noch gesagt, warum sie Geld von ihm wollen, behauptet er.

Angeblich schon mehrmals attackiert

"Ich habe Panik bekommen, da ich in Österreich schon mehrmals geschlagen worden bin. Zuletzt hat mir 2016 in Wien-Mitte ein Österreicher den Kiefer gebrochen, weil es ihn störte, dass ich mit einem Freund Spanisch gesprochen habe", argumentiert der Angeklagte, der sich eigentlich im Recht sieht. Im Park habe er damals seine Sachen in den Rucksack gepackt und sei gegangen, die beiden Männer hätten ihn verfolgt und auf dem Gehsteig geschubst, sodass er zu Sturz gekommen sei.

Die Gemeindebediensteten bieten eine ganz andere Version der Geschehnisse. "Wir haben den Herrn zehn Minuten beobachtet, wie er die Chips aß und Bier- und Wasserflaschen unter die Bank gestellt hat. Als er aufgestanden ist und gehen wollte, haben wir uns zu erkennen gegeben. Wir konnten erst zur Tat schreiten, als er wegging", erklärt Zeuge Thomas S. der interessierten Richterin das Prozedere.

Keine Uniformen bei Patrouillen

"Und haben Sie da eine Uniform an?", will Poschalko wissen. "Nein, wir haben unsere Privatkleidung an und weisen uns bei einer Amtshandlung mit unserer Kokarde aus." Wie sich bei der Begutachtung des Amtszeichens seines Kollegen zeigt, ist dieses aber nicht recht groß und auf einer schwarzen Jacke möglicherweise schwer zu erkennen, gestehen die Vertragsbediensteten zu.

Zeuge B. ist sich dennoch sicher, dass M. wusste, worum es geht. "Wir haben ihm gesagt, dass er Strafe wegen des Mülls zahlen muss, er hat gesagt, das macht er nicht. Er wollte auch keinen Ausweis herzeigen." – "Dazu ist er laut Wiener Reinhaltegesetz verpflichtet", weiß die Richterin, die sich den Gesetzestext durchgelesen hat. Und daher auch weiß, dass laut Paragraf 4 Absatz 6 "die Bestellung zum Überwachungsorgan" "durch Tod" erlischt.

Laut B. sei der Angeklagte äußerst aggressiv gewesen, habe geschimpft, gespuckt und versucht, ihm einen Tritt gegen das Schienbein und einen Kopfstoß zu verpassen, bis der zweite Waste-Watcher M. wegstieß.

Zwei Magistratsabteilungen "watchen"

Die Richterin nutzt die Gelegenheit, ihre Neugierde über die Arbeit der Zeugen zu befriedigen, und erfährt beispielsweise, dass gleich zwei Magistratsabteilungen "Müllsheriffs" haben: sowohl die MA 48, zuständig für "Abfallwirtschaft, Straßenreinigung und Fuhrpark", als auch seit 2010 die MA 42, das Stadtgartenamt.

"Und was kostet es, wenn Sie mich erwischen?", will Poschalko vom Zeugen erfahren. "Vor Ort 50 Euro. Wenn es eine Anzeige gibt, von 90 Euro aufwärts, meines Wissens." – "Und das muss ich jedes Mal zahlen, wenn mir ein Taschentuch herausfällt?", ist die Richterin überrascht. "Wenn es absichtlich herausfällt. Aber es gibt Kulanzen, wir können auch Verwarnungen aussprechen", beruhigt B. die Richterin.

Die möchte den Fall eigentlich gerne mit einer Diversion beenden, dazu muss der Angeklagte aber Verantwortung übernehmen. Sein Verteidiger und die Richterin gehen diplomatisch recht geschickt vor. "Kann es sein, dass Sie die Kokarde nicht gesehen haben, weil Sie im Stress waren? Das kann ja passieren", ermuntert Poschalko daher den Unbescholtenen. "Ja, es kann sein", gibt der zu. "Kann es sein, dass Sie sich bei der Auseinandersetzung vielleicht unglücklich verhalten und überreagiert haben?", motiviert auch der Verteidiger. "Ja, könnte sein", antwortet M. darauf.

Diversion mit Zahlung von 250 Euro

Gemeinnützige Leistungen will er wegen seiner angeschlagenen Gesundheit aber nicht verrichten, er verspricht stattdessen, binnen 14 Tagen 250 Euro an den Staat zu zahlen. Der Staatsanwalt gibt keine Erklärung ab, die Entscheidung ist daher nicht rechtskräftig. (Michael Möseneder, 15.10.2019)