Nicht nur Menschen zieht es in der kalten Jahreszeit in warme Gewässer: Auf der japanischen Halbinsel Shimokita kuscheln sich Japanmakaken in Thermalquellen zusammen. Doch auch Sonnenbaden ist unter den Primaten sehr beliebt – möglicherweise kann es dazu beitragen, ihren psychosozialen Stress zu reduzieren.
Foto: Imago / Nature in Stock

Japanmakaken sind – mit Ausnahme des Menschen – die Primatenart, die am weitesten in den Norden des Globus vordringt: Die rotgesichtigen Affen haben ihr nördlichstes Verbreitungsgebiet auf der japanischen Halbinsel Shimokita, wo es im Winter ohne weiteres minus 20 Grad Celsius haben kann. Um sich zu wärmen, kuscheln sich die Tiere zusammen oder baden in heißen Quellen. Auch lassen sie sich gern die Wintersonne auf den Pelz scheinen – und wie Biologen der Universität Wien kürzlich herausgefunden haben, wärmt die sie nicht nur, sondern macht auch die Weibchen früher fruchtbar.

Die klimatischen Verhältnisse am Affenberg bei Landskron kommen den Japanmakaken sehr entgegen.
Foto: Affenberg Landskron/Lena Pflüger

Nach Japan mussten die Forscher dafür nicht reisen: Seit 1996 leben Japanmakaken auch in Kärnten, und zwar auf dem Affenberg bei Landskron, wo die klimatischen Verhältnisse jenen im Norden Japans ähneln. Die Ursprungspopulation bestand aus 23 Weibchen und 15 Männchen, die aus Japan nach Kärnten gebracht wurden. Mittlerweile beläuft sich die Population auf rund 160 Individuen. Die Tiere werden zwar das ganze Jahr über mit Nahrung versorgt, leben aber sonst weitgehend frei auf dem 40.000 Quadratmeter großen Gelände. Die Besucher, die von April bis Anfang November durch einen Teil der Anlage geführt werden, dürfen die Affen weder füttern noch berühren.

Klima und Paarungsverhalten

Heuer wurde am Affenberg eine offizielle Außenstelle der Universität Wien gegründet, Forscher der Universität Wien arbeiten aber bereits seit mehr als 20 Jahren hier. Eine Gruppe um die wissenschaftliche Leiterin des Affenbergs, Lena Pflüger, und den Leiter der Außenstelle, Bernard Wallner vom Department für Verhaltensbiologie der Uni Wien, beschäftigte sich nun gemeinsam mit Kollegen der Universität Kioto und der belgischen Universität Löwen mit Details der Fortpflanzung der Makaken. Konkret geht es um die Frage, welche Umstände entscheiden, wann die Weibchen ihr erstes Junges gebären.

Nach vier Jahren bekommen Japanmakaken frühestens ihr erstes Junges. Doch manche sind auch später dran – abhängig von sozialen Faktoren, Nahrung und klimatischen Bedingungen.
Foto: Konstanze Meindl

Die Makakenweibchen kommen gewöhnlich mit 2,5 Jahren in die Pubertät. Ein Jahr später sind sie geschlechtsreif, und mit frühestens vier Jahren bekommen sie ihr erstes Kind. Allerdings werden durchaus nicht alle Weibchen so früh zum ersten Mal Mutter, manche schaffen es auch erst in der nächsten Saison oder noch später.

Sonne gegen Stress

Sowohl soziale Faktoren wie Populationsdichte oder Rang als auch die Verfügbarkeit von Nahrung können einen Einfluss auf die Fortpflanzung haben. Davon abgesehen, kommen in erster Linie klimatische Verhältnisse infrage. Allerdings haben sich bei den Makaken bis jetzt weder für Tageslänge noch für Niederschlag oder Temperatur diesbezüglich klare Aussagen treffen lassen.

Pflüger und ihre Kollegen nahmen stattdessen einen anderen Faktor näher in Augenschein, der bei bisherigen Untersuchungen nicht berücksichtigt worden war, nämlich den Sonnenschein. Da alles rund um die Makaken am Affenberg penibel protokolliert wird, konnten die Forscher auf Geburten- und Sterbedaten der vergangenen 20 Jahre zurückgreifen. Diese verschnitten sie mit den meteorologischen Verhältnissen im selben Zeitraum, und siehe da: Weibchen, während deren Pubertät häufiger die Sonne schien, bekamen früher ihr erstes Junges.

Wie kann die Sonne jedoch einen solchen Einfluss ausüben? Besonders zu Beginn der Pubertät sind Primaten – einschließlich des Menschen – besonders anfällig für psychosozialen Stress. Dieser kann die Produktion von Sexualhormonen beeinträchtigen. Für die Makaken ist nachgewiesen, dass das Baden in Thermalquellen entspannend wirkt, und es ist durchaus denkbar, dass Sonnenbaden dieselbe Wirkung hat: Die Affen suchen gezielt sonnenbeschienene Plätze auf und bieten so viel ihrer Körperoberfläche wie möglich der Sonne dar.

Wie es bei der Verhaltensforschung am Affenberg zugeht, wird in diesem Video der Universität Wien dokumentiert.
Universität Wien

UV-Strahlen und Geschlechtsreife

Vor die Wahl gestellt, ziehen sie Sonnenbaden auch dem ebenfalls wärmenden Kuscheln mit Artgenossen vor. Außerdem ist UV-Strahlung wichtig für die Entstehung von Vitamin D, das seinerseits eine Rolle bei der Geschlechtsreife spielt.

Einen anderen Aspekt der Sexualität von weiblichen Japanmakaken soll eine seit kurzem laufende Master-Arbeit am Affenberg beleuchten: nämlich die Entstehung von homosexuellem Verhalten. Die Paarungszeit der Makaken liegt zwischen September und Februar. In dieser Periode formen sich Paare, immer wieder auch rein weibliche.

Der Affenberg bei Landskron in Kärnten darf sich stets über regen Zuwachs freuen. Wie viele Junge es gibt, hat offenbar auch mit den Sonnenstunden zu tun.
Foto: Klaus Freithofer

Lesbische Beziehungen

Dabei unterscheidet sich das Verhalten der Weibchen zueinander kaum von dem jener, die in heterosexuellen Beziehungen leben. Es gibt auch keine Hinweise darauf, dass lesbische Weibchen in Wirklichkeit einen anderen Zweck verfolgen könnten wie etwa Männchen anzulocken, Allianzen mit anderen Weibchen zu schmieden oder Versöhnung zu erwirken.

Die gleichgeschlechtliche Liebe scheint auch keine Folge von Männchenmangel zu sein: Weibchen konkurrieren teilweise sogar mit Männchen um ihre Geschlechtsgenossinnen. "Diese Beziehungen sind offenbar sexueller Natur", fasst Pflüger zusammen. Dazu passt, dass die Weibchen einander zwar nicht besteigen, wie die Männchen das machen, aber eine Vielzahl an Positionen und Beckenbewegungen praktizieren, die offenbar dem Erreichen sexueller Lust dienen.

Die gegenseitige Körperpflege nimmt bei Japanmakaken einen wichtigen Teil im Sozialleben ein.
Foto: Konstanze Meindl

Lokale Unterschiede

Allerdings scheinen sehr junge Weibchen öfter homosexuelle Beziehungen einzugehen als ältere. Denkbar ist, dass Männchen an so jungen Partnerinnen weniger interessiert sind, da deren Zyklus noch weniger ausgeprägt ist und sie daher eine geringere Chance auf eine erfolgreiche Trächtigkeit haben. Die Affenmädchen könnten mit ihren Partnerinnen aber auch für spätere Begegnungen mit Männchen "üben", ohne sich der Gefahr männlicher Aggression auszusetzen.

In jedem Fall gibt es nicht in allen Populationen von Japanmakaken lesbisches Verhalten: Vielmehr scheint die Tendenz auf eine frei lebende Gruppe in einer bestimmten Gegend in Japan zurückzugehen, aus der auch die Gründerväter und -mütter des Affenbergs stammen.

Master-Studentin Pia Marlena Böhm wird in den nächsten Monaten jedenfalls versuchen festzustellen, inwieweit sich die homosexuellen Affenweibchen in Kärnten hormonell von heterosexuellen unterscheiden. (Susanne Strnadl, 19.10.2019)